Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Der Fall von Ylewna und

Die Ruſſen wußten, daß Osman Paſha Alles zum Ausfall vorbereitete, und ſie hatten, um demſelben mit Kraft begegnen zu können, alle militäri\ſ<en Maßregeln getroffen. — Ein Spion fam mit der Nachricht, daß Os8man Paſcha den Truppen dreitägige Rationen, 150 Patronen und jedem Mann ein neues Paar Sandalen ausgefolgt habe, und daß allem Anſchein nah die Zuſammenziehung ſeiner Truppen ſoglei<h beginnen würde. Eine curioſe Einzelnheit, welche er erwähnte, war, daß jeder Mann eine kleine Quantität Oel erhalten habe, um ſein Gewehr in Ordnung zu halten.

Um zehn Uhr langte ein anderer Spion an, welcher meldete, daß ſi<h Osman Paſcha neben der Wid-Brüke concentrire. Der Spion war gerade aus Plewna gekommen und verſchwand, nachdem er ſeinen Bericht abgeſtattet, wieder in der Dunkelheit. Wenige Minuten ſpäter kam ein Telegramm, wel<hes ſagte, daß man auf der anderen Seite eine Menge Lichter in Plewna hinund herbewegen ſehe. Es war augenſcheinli<h eine Bewegung im Zuge und die Spione hatten Recht.

Die Nacht verging langſam. Der Schneeſturm hörte auf und am Himmel jagten ſi< dunkle Wolken, dann und wann fiel Regen mit Schnee vermiſcht. Um drei Uhr brachte ein Spion die Nachricht, daß Osman Paſcha im Abzuge ſei, und daß die Kriſhina-Redouten verlaſſen würden. Er erklärte ſi< überzeugt, daß alle Poſitionen längs der ruſſiſchen Flanke in Kurzem aufgegeben werden würden. Man fragte ihn, ob ex mitgehen und den Weg in die Kriſchina-Redouten zeigen wolle, auf die Gefahr hin, niedergeſtohen zu werden, wenn ſi< ſeine Worte als niht wahr erweiſen ſollten. Er ſagte Ja und Skobeleff ertheilte den Befehl, “vorſichtig vorwärts zu marſiren. Dieſes geſhah und die Poſitionen wurden genommen: Skobeleff befahl, die- genommenen Poſitionen ſoglei< in Vertheidigung8zuſtand zu ſeben, falls die Türken, wenn ſie zurü>geſchlagen würden und ſi< no< niht ergeben wollten, den Verſuch wagen ſollten, dieſelben wieder zu nehmen. Der Morgen graute. Es war umwölkt und drohte zu ſ<neien. Auf einmal donnerten dreißig bis vierzig Geſchütze faſt zuglei<h und augenbli>lich folgte das unaufhörlihe Knattern und Rollen des Kleingewehrfeuers. Die Schlacht hatte begonnen. Der Rieſe, nachdem er ſi< dur< vier Monate vertheidigt, ſu<hte nun, Donnerkeil auf Donmnerkeil gegen ſeine Feinde ſ{<leudernd, den Maſchen des Nees zu entkommen, das er um ſih hatte ziehen laſſen, und griff nun ſeinerſeits die Laufgräben und Erdwerke an, deren Vertheidigung er den Ruſſen ſo gut gelehrt hatte. Der

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Osman Faſcas Capitulation.

Kampſfplay lag in der Richtung der Wid-Brüce, auf dem Wege gegen Sofia.

Ein zugleich fürchterlihes und erhabenes Schauſpiel zeigte ſi< den Bli>en. Die Gegend hinter Plewna iſ eine weite, offene Fläche, gegen die ſih die auf Plewna führende Schlucht gleih einem Tunnel öffnet. Die Ebene iſ auf der Seite von Plewna von ſteilen Felſen begrenzt, an deren Fuß der Wid fließt. Von dieſen Felſen und auf eine Diſtanz von zwei engliſ<hen Meilen brachen hie und da in raſcher und unregelmäßiger Folge Flammenſtröme hervor, welche blibten, verſ<hwanden und wieder blißten. Es war das Geſchüßfeuer der Türken und Ruſſen, die wie untereinander gemiſcht ſchienen. — Dann und wann fonnte man dur einen fi< unregelmäßig krümmenden Feuerſtrom über die Fläche hin- und hereilende Trupps von Menſchen, Pferden, Vieh und Wagen ſehen.

Os8man Paſcha hatte, wie die Ruſſen erfuhren, in der That in der Naht vom Samſtag auf Sonntag (8.—9. Dezember) die Poſitionen von Grivißa bis zum grünen Hügel verlaſſen und den größeren Theil ſeiner Armee mit einem Train von 500—600 Wagen gegen den Wid concentrirt.

Der türkiſhe Angriff war gegen die von den Grenadieren nördli<h der Straße nah Sofia beſeßten Poſitionen gerichtet, deren Linien ih von der Straße zu einem Punkt gegénüber Opanes hinzogen, wo ſie ſi< mit der rumäniſchen Linie dur< Suſurta verbanden. Es hieß, daß der Angriff mit zwanzigtauſend Mann unternommen worden, aber man bezweifelte dies, da der Raum zum Aufmarſch für ſo viele Leute zu beſchränkt war. Die Türken rü>ten \o weit vor, als ſie fonnten, während die Ruſſen ein fur<tbares Feuer aus ihren Berdan-Hinterladern gegen ſie eröffneten und die avancirende Linie mit Kugeln und Shrapnels überſchütteten. Die Türken ſtürzten mit lautem Geſchrei auf die von dem ſibiriſhen Regiment beſeßten Trancheen los, fegten wie ein Sturmwind darüber hin, ſtrömten in die Batterie, machten die Artilleriſten, ſowohl die Offiziere wie Mannſchaft mit dem Bajonnet nieder und nahmen die ganze Batterie. Das ſibiriſhe Regiment war über den Haufen geworfen und faſt vernichtet worden. Die Türken hatten den erſten Kreis dur<bro<hen. Wären ſie weiter vorgedrungen, ſo würden ſie no< zwei gefunden haben, aber ſie hatten niht Zeit dazu. Die Ruſſen vereinigten \ſi< faſt augenbli>li<.

General Strukoff vom Stab des Kaiſers führte die erſte Grenadierbrigade herbei, die ſi, von ihrem General begleitet, mit Wuth auf die Türken ſtürzte.

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