Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

li die Action des Fürſtenthums davon abhängig gemacht, daß das Petersburger Cabinet Serbien den Beſiy von „einigen türkiſhen Provinzen, in denen das ſerbiſche Element prävalirt (überlegen ſei)“ garantiren ſolle. Ob ſi<h Fürſt Gortſchafo ff dazu verſtanden habe, wax niht bekannt, allein es war Thatſache, daß am $8. November in Belgrad Depeſchen aus dem ruſſiſchen Hauptquartier eingelangt waren, wel<he die ſerbiſche Regierung vollſtändig befriedigten. Demnach konnte die ſerbiſhe Action von Statten gehen. Allein

nun ſchien eine ſehr unangenehme Entde>kung in -

Belgrad gemacht worden zu ſein, wel<he zu einer ſofortigen Action kaum aufmuntern konnte, Es ſtellte ſi< nämlich heraus, daß die türfiſchen Militärkräfte, welche an den ſerbiſchen Grenzen concentrirt wurden, viel beträchtlicher waren, als man fie nah der höchſten Schäßung angenommen hatte. Es war Thatſache, daß in Zwornik 3000 Nizams und Redifs erſter Claſſe, in Tuzla 3000 Redifs, in Bielina 10.400 Redifs, bei Niſh 4600 Nizams und in Altſerbien ungefähr 13.000 Redifs erſter und zweiter

Claſſe concentrirt wurden, denen heträchtlihe Artillerie-

parks zur Verfügung ſtehen. Dieſer Macht fonnten damals etwa 24.000 ſerbiſche Milizen“ gegenüber geſtellt werden.

Vielleiht gerade auf dieſe Ueberlegenheit ihrer Kräfte geſtüßt, hatte die Pforte die Jnitiative ergriffen, um Serbien zu einer Entſcheidung zu drängen. Der Großvezier Edhem Paſcha hatte bereits ein Telegramm zur Abſendung nah Belgrad vorbereitet, das jedo< vorläufig auf Anregen des engliſ<en Vertreters Mr. Layard in Conſtantinopel no< zurü>gehalten wurde. Die ottomaniſhe Pforte machte darin niht mit Unre<t geltend, daß die Anſammlung von Milizen an der Grenze dem türkiſhen Staate großen und permanenten Nachtheil zufüge, da die kaiſerliche Regierung dadur< gezwungen werde, Truppen von Orten ferne zu halten, wo ſie ſehr nöthig und höchſt nüßli< ſein würden. Der Großvezier

Zimmermann, Geſch, des orient, Krieges,

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Oberſt Meſeninoff,

Anführer der ruſſiſ<hen Freiwilligen in Serbien.

hatte aus dieſem Grunde die Entſchloſſenheit der Pforte durchbli>en laſſen, einem Zuſtande ein Ende zu machen, der, wiewohl niht der Krieg, dennoh alle, ja no< mehr Nachtheile der Türkei zufüge, als der Krieg ſelbſt. Die ſerbiſche Regierung war nun in einer unangenehmen Situation. Den Kampf unmittelbar aufnehmen, konnte ſie niht, weil ihre Machtmittel an den ſtrategiſchen Grenzpunkten no< unzureichend waren; die Milizbrigaden aber zurü>ziehen, das fonnte ſie noh weniger, da ſie Rußland gegenüber engagirt war. Auch beſtanden die Leiſtungen Serbiens als Aequivalent für die “ erhaltenen Subſidiengelder vorläufig nur darin, daß ſein Obſervation8corps eine gewiſſe Anzahl türkiſher Regimenter au Punkten feſthalten ſollte, welche fern vom bulgariſhen Kriegs\<hauplate ſih befanden, Die Lage der Dinge war jedenfalls daher eine ſehr geſpannte. Die Kriegs8vorbereitungen dauerten, troß aller ämtlichen Ableugnungen von Seite Serbiens, fort. Milizen waren an die Grenzen abgerü>t, neue Freicorps wurden gebildet und der in Belgrad

weilende ruſſiſche

Generalſtabs - Oberſt Bob riko ff, der ſchon vor längerer Zeit aus Gorni -Studen angefommen war, reiſte in das Jnnere Serbiens ab, um ſämmtliche Befeſtigungen an der Morawa, dem Favor \und Timok zu inſpiciren. Oeſterreich, Ungarn und Deutſchland ſahen dieſen Rüſtungen ruhig zu, nur England that Schritte, dieſelben zu verhindern. Der Vertreter Großbritanniens, Mr. White, machte Riſtics ſehr ernſte Borſtellungen und wies auf die ſhweren Folgen für Serbien hin, welches ſi< unmögli<h gegen die Türkei behaupten könnte und ſomit ſeine bisherige Stellung einbüßen müßte.

Um ein Ende zu machen, verlangte die Pforte endlih kategoriſ< eine ſofortige Erklärung auf die leßte Note und wollte dem ſerbiſchen Vertreter Kriſtics die Päſſe zuſtellen. Einen Monat lang dauerte noh das Doppelſpiel Serbiens fort, bis endli< alle Vorbereitungen

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