Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

rungsfalle niedergemeßelt würden. Unter den Belagerern herrſchte eine luſtige Stimmung. Um die Lagerfeuer wurde bis Mitternacht geſungen und getanzt, die S<hlachttage von Kr ſtac und Goransko waren aus dem Gedäctniſſe entſhwunden und neue Thatenluſt hatte ſi< der Montenegriner bemächtigt. Nur die dem Nikſficer Thale benachbarten Bataillone waren unzufrieden. Der Wille des Fürſten, daß im Falle der Capitulation feinem Nikſicer ein Haar gekrümmt werden ſollte, hatte dieſe Leute, wel<he mit den Nifſicern ihre Blutfehde ausfe<hten wollten, verſtimmt. Indeſſen begann in der Feſtung ſi< Waſſermangel fühlbar zu machen, ſo daß das geringe Quantum in Portionen verabreiht werden mußte. Zuerſt erhielten dieſelben die Nizams, dann kamen die Bürger und ihre Familien an die Reihe. Die Waſſervertheilung erfolgte regelmäßig bei der Moſchee. Als die meiſten Dürſtenden ſi am Plave eines Tages einfanden, traf ein ſchweres Projectil ſo unglü>li< die Moſchee, daß eine Seite zuſammenſtürzte und einige nah friſhem Trunke le<zende Türken tödtete.

Der Muth der Belagerten begann zu ſinken, und am 8. September capitulirte Nikſic. Belagert dur< 25 Bataillone Montenegriner, aus 10 Kanonen während 45 Tagen bombardirt, nachdem ihnen das Waſſer ausgegangen, nahdem ſie ihre lette Patrone verſchoſſen, hatten ſie laut Capitulation die Stadt mit aller Waffenehre verlaſſen. Die Kranken und Verwundeten der Sorge des Feindes überlaſſend, kamen ſie unter Escorte eines montenegriniſchen Bataillons durch die Duga bis na<h Gacko.

Darauf wendete ſi< die montenegriniſche Hauptmacht gegen Süden und drang in Albanien ein. Eine Colonne bombardirte Podgorißa, die andere hatte im November das Fort Sutorman erobert, welches Antivari beherrſchte, deſſen Einnahme alſo den Fall der Stadt ſelb ſt na ſi ziehen mußte, und aus Cettinje wurde weiteres Vorrü>ken angekündigt. Offenbar wollte Fürſt Nikolaus erſt an der Bajana, der natürlihen Grenze des eigentli<hen Albanien, Halt machen.

Es ſcien, daß der Fürſt der „Schwarzen Berge“ ſeinen einſtigen Forderungen auf der Conſtantinopler Conferenz im laufenden Kriegsjahre dadur< einen haltbaren Untergrund zu verleihen trachtete, daß er alle die Punkte und Länderſtriche, die er damals zur Vergrößerung und „Abrundung“ ſeines Territoriums beanſpruchte, nunmehr dur<h Waffengewalt ſi< zu erringen anſtrebte. Mit Nikſic Occupation ſeines Gebietes hatte er begonnen, mit der Blokade Podgorita's fortgeſeßt, und nun handelte es ſi< no< um den dritten Programmpunkt: um die Erwerbung eines albane-

und der

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ſiſchen — Hafens. Für Montenegro handelte es ſi ſeinerzeit bekanntli<h um Spizza, einem ſehr unbedeutenden, niht einmal windgeſchüßten Hafen an einem der ödeſten Theile Nord-Albaniens, knapp an der öſterreihiſ<h-dalmatiniſchen Grenze gelegen. Es mag hier in Erinnerung gebra<ht werden, daß gerade die Beſißnahme eines albaneſiſhen Hafens ſeitens Montenegros auf der weiland Stambuler Conferenz dem entſchiedenen Widerſpruche der europäiſchen Delegirten begegnete, und ſelbſt von Seite der italieniſ<en Regierung zurü>gewieſen wurde, die ſi< im Ganzen ſo willig gegenüber den unerfüllbaren Machtbeſtrebungen des Fürſten von Montenegro zeigte. Ueberdies war das Bedenken der italieniſhen Regierung im Ganzen genommen ein nur ſehr zahmes, denn ſie befürchtete einzig nux, daß der Hafen von Spizza ein Shlupfwinkel gefährlicher Seeſhmuggler werden könnte,

“ein Einwand, der zum mindeſten, was die Be-

deutung des hieraus erwachſenden Schadens betrifft, gänzlih unbegründet ſein dürfte. — Dies \<loß aber niht aus, daß gerade der Beſitz dieſes Hafens Montenegro wohl zur vollen Actionsſreiheit verhelfen würde, und ſo trahtete man in Cettinje einen Vortheil, den die diplomatiſche Campagne ni<t eintrug, nunmehr dur<h das Schwert zu erreichen.

Ein territorial vollkommen abgeſchloſſenes Land, das in Bezug auf ſeine Zufuhrslinien ſtets auf die mehr oder minder wohlwollende Haltung der Nachbarmächte angewieſen iſt, das eventuell

„in die Lage gerathen könnte und au< in die

Lage gerathen iſt, mit dieſen Nahbarmächten Deſterreih und die Türkei — in Differenzen verwi>elt zu werden und ſomit ſeine einzigen Zufuhrslinien verlegt zu ſehen, ein ſol<es Land, wie eben hier Montenegro, konnte erſt ret jede Bevormundung unter wel< immer für einer Geſtalt abſchütteln, wenn es in den Beſiß eines Hafens träte, der ihm die directe Verbindung mit der Außenwelt verſchaffen würde. Es wäre nun — vom rein militäriſhen Standpunkte der Frage — allerdings einzuwenden, daß es der Pforte bei ihren maritimen Machtmitteln ein Leichtes ſein müßte, eine jede derartige Gefahr dadur< auszugleihen, daß ſie gegebenen Falles den Hafen ſ{<löſſe oder blofirte. Das hat, ſo obenhin betrachtet, au< ſeine Richtigkeit, {ließt aber eben niht aus, daß die Ereigniſſe in ihrem weiteren Verlaufe der Frage einen internationalen Charakter verſchaffen könnten, indem dieſer Hafen, je nah der Gruppirung der europäiſhen Mächte, zum unliebſamen Streitobjecte dieſer oder jener Kriegsflotte oder Flotten-Abtheilung würde und ſomit allerhand gewichtige Verwikeſungen heraufbeſ<wören müßte. Daß ih üherdies der Fürſt von Montenegro diesmal weniger um den fkleinen Hafen von Spizza