Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

waren von den Türken angezündet worden. Die Ruſſen löſten aber den Brand.

Gurko, der energiſche und umſichtige Befehlshaber, ſ<ritt hierauf zur Verfolgung der geſ<lagenen und verſprengten türkiſchen Abtheilungen. Am 16. griff er die von Cadikidi retirirende türkiſhe Armee bei Dermende an, und warf ſie nah furzem Kampfe na<h Südweſten, und am 17. ſ{<lug er die anderen von Philippopei aus retirirenden türfiſ<hen Abtheilungen bei Karakhak und Belastica auf's Haupt und verſprengte ſie beinahe vollſtändig. Ueber 100 Kanonen, mehr als 5000 Gefangene und allerlei Kriegsmaterial fiel den Siegern in die Hände. Am 18. traten ſtarke ruſſiſhe Cavallerie- Abtheilungen den Vormarſch auf Haskiöi an. Fnzwiſchen hatte die Abtheilung Krüdener's mit den Abtheilungen des Generals Karzoff und mit den Skobeleff's Fühlung gewonnen. Hermanli war als der Sammelpunkt der verſchiedenen vorrü>enden rufſiſchen Colonnen auserſehen worden, von wo dieſelben über Muſtapha - Paſcha - Köpruſſa auf Adrianopel zu marſhiren begannen.

Die Türken hatten jedo< die Vertheidigung Adrian opels aufgegeben und alle Truppen, Kanonen u. ſt. w. waren am 9. Januar zurü>gezogen. Au der General-Gouverneur hatte des Morgens Adrianopel verlaſſen und nur 72 Gendarmen zur Aufrehthaltung der Ordnung bis zum Einmarſche der Ruſſen zurücgelaſſen.

Tags darauf (am 20.) rü>te General Strukoff in Adrianopel ein, und ſette eine proviſoriſhe Verwaltung aus verſchiedenen Nationalitäten feſt. Ein großer Theil der Be-

wohner der Stadt hatte noh vor dem Einmarſche

der Ruſſen dieſelbe verlaſſen; nur der franzöſiſche Conſul blieb zum Schuße ſeiner Nationalen in der Stadt. Die Räumung Adrianopels hatte jedenfalls eine hervorragende ſtrategiſche Bedeutung. Ein „zweites Plewna“ iſt Adrianopel genannt worden. Es hätte immerhin, wenn es au< ſhließli<h gefallen wäre, wie Plewna und wegen Mangel an einer ausreichenden Zahl von Vertheidigern ſogar früher gefallen wäre als Plewna, doch einen niht unbeträhtlichen Theil der ruſſiſhen Armee für einige Zeit beſchäftigt und gebunden. Jn den Händen der Nuſſen aber, die eine genügende Beſaßung hineinwerſen konnten, wurde es geradezu unüberwindli<h. Die Räumung Adrianopels, auf deſſen Befeſtigung die Türken ſogar in den lebten Wochen alſo nah dem Falle von Plewna 35 Millionen Francs verwendet hatten , hatte aber no< mehr politiſche als militäriſche Motive ; denn der Großfürſt Nikolaus hatte bei den bereits früher eingeleiteten Waffenſtillſtand sUnterhandlungen die Räumung von Adrianopel als erſte Bedingung der Einſtellung der Feindſeligkeiten verlangt. Die Feſtung Nikopolis war bereits im Juli von den Ruſſen eingenommen worden.

Die Waffenſtkillſktands- Verhandlungen.

Schon vor dem Falle von Plewna waren oſt Friedensgerüchte und verſchiedene diplomatiſche Sritte eingeleitet worden, um dem furchtbaren Kampfe ein Ende zu machen. Neuere Conſiſtenz erhielten dieſelben wieder zum Schluſſe des Fahres.

Ziemlih bunt und für das Auge no< niht in jedem Stü erkennbar, liefen damals die Fäden einer ſehr verwi>elten diplomatiſchen Action neben- und durcheinander. Die diplomatiſchen Anſtrengungen bezwe>ten: die Pforte zu directem Entgegenkommen an Rußland zunächſt bezüglich eines abzuſchließenden Waffenſtillſtandes zu beſtimmen. Das Lettere ſchien man in Conſtantinopel auch ſhon eingeſehen zu haben, und zwar in Folge der Berichte, die Mahmud Damat von ſeiner in ein gewiſſes Dunkel gehüllten Reiſe nah Adrianopel heimgebraht hatte. Der türkiſche Miniſterrath war bereits principiell übereingekommen, einen Waffenſtillſtand anzunehmen. Und es wurde bekannt, daß man au< von

Seite Rußlands niht mehr ſo ganz ſhroff gegen das Zuſtandekommen des Waſffenſtillſtandes war, und man gab in Petersburg die Bereitwilligkeit zu erkennen, mit der Pforte über die Bedingungen des Waffenſtillſtandes direct zu verhandeln, nachdem es den engliſhen Vermittlungsvorſchlag entſchieden abgelehnt hatte. Der Pforte wurde zugleih mitgetheilt, daß wegen eines Waffenſtill ſtandes ſi die türkiſchen Generäle direct an das ruſſiſhe Hauptquartier wenden müßten, das betreffs der Bedingungen ſchon telegraphiſh inſtruirt worden ſei. Dieſe Bedingungen waren hart, für die Türkei faſt unannehmbar. Ruſſiſcherſeits wurde nämli<h verlangt, daß die Türken die Donau-Feſtungen räumen, daß der Sultan Bulgarien, Bosnien und die Herzegowina freigebe, die Unabhängigkeit Rumäniens anerkenne, an Serbien und Montenegro Conceſſionen mache, die Dardanellen allen Schiffen öffne und in Aſien einige Landestheile mit Kars und Batum abtrete.

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