Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
vorbehalten, lei<hten Kriegsſchiffen ſolhe Erlaubniß zu ertheilen, ſobald dieſelben den Geſandtſchaften der fremden Mächte zu Dienſt geſtellt werden ſollen.
Dieſe Punctationen beziehen fi<h nur auf den Friedenszuſtand. Dem Sultan wurde nun dur< den Vertrag in keiner Weiſe verwehrt, im Kriegsfalle na< ſeinem eigenen Gutdünken zu verfahren und wann immer einen Ferman behufs Zulaſſung in die Meerengen zu bewilligen. Rußland und die Türkei lebten nunmehr im Waffenſtillſtande, wel<her nimmermehr mit einem Frieden identificirt werden konnte, ſo daß es dem Sultan unbenommen geblieben wäre, der engliſchen Flotte ſeinen Ferman zu gewähren. Fndem er dieſen verweigerte, handelte er ſiherli< unter dem Drucke Rußlands, das damit Herr und Gebieter in jenen Gewäſſern geworden war und England den Hand{huh hingeworfen hatte.
Fürſt Gortſchak off hatte au<h, auf die Einfahrt der engliſchen Flotte in die Dardanellen bezugnehmend, Telegramme an die Botſchafter Rußlands in Berlin, Wien, London, Paris, Rom gerichtet, welche alſo lauteten:
„Die britiſche Regierung hat, auf die Berichte ihres Botſchafters in Conſtantinopel hin, \i< entſhloſſen, von einem früher erlangten Ferman Gebrauch zu machen und einen Theil ihrer Flotte na< Conſtantinopel zu dirigiren, um Leben und Sicherheit der engliſchen Unterthanen zu ſ{hügen. Andere Mächte haben die gleihe Maßregel für ihre Nationalen adoptirt. — Die Geſammtheit dieſer Umſtände nöthigt uns, auh unſererſeits auf die Mittel zum Schußte der Chriſten bedacht zu ſein, deren Leben und Eigenthum etwa bedroht werden, und zur Erreichung dieſes Reſultates den Einmarſch eines Theiles unſerer Truppen in Conſtantinopel in Ausſicht zu nehmen.“
Die entſprehenden Befehle waren au< an den Großfürſten Nikolaus abgegangen.
Die Verhandlungen, welche in Conſtantinopel unmittelbar vor der Einfahrt dex engliſchen Flotte in das Marmara-Meer ſtattgefunden hatten, zeigten, wel<he Zerfahrenheit zur ſelben Zeit in den Regierungskreiſen von Conſtantinopel herrſchte.
Bis zu einer ſehr ſpäten Stunde des 12. Februar ſtand es au< zu befürchten, daß die Türken auf die engliſhe Flotte feuern würden, wenn dieſelbe, troß des Proteſtes, darauf beharren ſollte, die Dardanellen zu paſſiren, wie Admiral Hornby noh am ſelben Tag Nachmittags die Weiſung erhalten hatte. Derſelbe informirte augenbli>li< die Pforte und war überzeugt, daß auf die Flotte gefeuert werden würde. Die Türken befanden ſi< augenſcheiuli<h in einer ſehr ſhwierigen Lage; ſie waren niht blos gereizt und voll Mißtrauen gegen England, ſondern ſie fühlten
Sr
ſi< au< den Ruſſen auf Gnade und Ungnade preisgegeben. Zudem hatten die Türken allen Grund, zu glauben, daß das Einlaufen der engliſchen Flotte das Signal zum Einmarſch der Ruſſen in Conſtantinopel geben würde. Der Czar hatte dem Sultan telegraphirt, die britiſche Panzerflotte niht einlaufen zu laſſen, denn im entgegengeſeßten Falle würde er eine Diviſion nah Conſtantinopel marſciren laſſen. Die Pforte befand ſi< in der höchſten Verlegenheit. Man ſchilderte die Haltung des engliſhen Botſchafters als den Ereigniſſen völlig gewachſen, zugleich feſt und verſöhnlich. Er ſah ſich genöthigt, der Pforte zu erklären, daß die Flotte niht ausſchließli< zum Schutze der britiſhen Juntereſſen, ſondern auch jener der Türkei kommen würde. Dieſe Verſicherung war auh bereits von Lord Derby Mu ſfſurus Paſcha ertheilt und der Pforte telegraphirt worden. Dieſer Tag verging bis Mitternacht in den ängſtlihen Verhandlungen und endlih wurde die Pforte bewogen, ihre Drohung zurü>zunehmen, auf die Flotte zu feuern, und dieſelbe unter einem ſtarken Proteſt paſſiren zu laſſen. Da die Pforte vom engliſchen Botſchafter wußte, daß Admiral Hornby entſchloſſen war, im Nothfall die Straße zu forciren, ſo war nichts Anderes zu thun, als nachzugeben, und andererſeits ſtarke Gegenvorſtellungen zu machen, um die Ruſſen zu beruhigen. Selbſt nachdem bereits der Beſchluß gefaßt war, die Flotte unter Proteſt paſſiren zu laſſen, ſchi>te der Sultan mitten in der Nacht eine neue Botſchaft an H. Layard, daß er den Schiffen Befehl ertheile, ſtehen zu bleiben, aber er erhielt zur Antwort, daß es bereits zu ſpät ſei.
Die Flotte hatte den Befehl erhalten, die Dardanellen zu forciren und na< Conſtantinopel zu ſegeln.
Nachts am 12. wurde auf den Panzerſchiffen der Befehl bekannt, daß von Neuem ein Verſuch gemacht werde, um die Dardanellen zu pafſiren, und es herrſchte die Anſicht, daß es ſi< diesmal um eine wirklihe Truppenbewegung handle. Das Signal wurde den auserwählten Schiffen gegeben, ſich bei Tagesanbruch fahrbereit zu halten. Fn der Nacht erhob ſi< eine friſhe Briſe, das Barometer ſank, und ein kalter Schneeregen und Nebel ließen die nächſten Gegenſtände nur {wer erkennen. Um 7 Uhr Morgens hörte man fernen Kanonendonner, der „Raleigh“ war an der Windſeite der Rabbitinſel auf Grund gerathen und gab Nothſignale. Der „Raleigh“ war am 12. Früh nordwärts aufgebrochen und hatte bei der Rückkehr zu weit geſteuert. Die Luft war zu di>, um die Lichter ſehen zu können. Der „Ruby“ (Rubin) und „Hotſpur“ (Hißkopf) wurden dem „Raleigh“ zu Hilfe geſchi>t, und die übrigen Schiffe der Flotte — „Alexandra“, Flaggenſchi}f des Oberbeſehlshabers; „Agincourt“, Flaggen-