In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

— pr Be

Wichtiger als die phyjiognomijchen find, wie an allen beweglihen Teilen, die mimijhen Zeichen der Augenlider. Hier gibt uns das Deffnen und Schliegen des Auges wertvolle Aufihlüffe. Der Eine öffnet die Lidjpalte mehr, der Andere weniger, einer reißt jie auf, der Andere blinzelt nur, diefer blidt aufmerfjam, jener träge. Zwar haben wir ähnliche Erjcheinungen ihon beim Bli bejprochen, doc dort betrachteten wir mehr die Stellung des Yugapfels; die Lidjtellung wurde nur als Begleiterjcheinung genannt. Sebt wollen wir diejer allein unjere Aufmerfjamfeit widmen.

Der „Augen-Borhang“, wie Shafefpeare poetilch ihn nennt, wird je nad) dem Temperament und Der Lebensenergie Des Einzelnen rafcher oder langjamer herabgelajjen. „Wenn man vom Sclafe erwacht”, führt Piderit mit jchönen Worten aus, „jo beiteht der erjte Mft der wieder beginnenden Willenstätigfeit darin, den „Augen-VBorhang" aufzuziehen. Licht flutet dann wieder dur) die geöffneten Tore des Geiltes, die Schatten des Schlummers entweichen, und von neuem beginnt das wogende Spiel der Gedanfen.“ Das weitgeöffnete Lid ijt ein Zeichen des Aufmerfens; „es gehen ihm die Yırgen auf“ lautet eine täglic) gebrauchte Wendung. Wollen mir einen Menjhhen zur Mufmerfjamfeit ermahnen, jo rufen wir ihm zu: „Mac die Augen auf!“ GSolde und ähnliche Redensarten meijen jehon darauf hin, daß der Wißbegierige, Neugierige, Strebjame die Augen aufmerfjam „jpannen” muß, um etwas zu jchauen. „Salt die Augen offen!” ift Die legte Mahnung des Vaters an den im Die Welt ziehenden Sohn. Diejes offene, vom Lid jtarf entblößte Auge ijt ein Zeichen gemwedten empfänglidien Geijtes und fait allen bedeutenden Männern eigen. Wir jehen es auf unjeren Abbildungen bei Lejjing auf Seite 103, bei Schiller, Goethe, Friedrich dem Großen, bei Napoleon, bei jeinem hohbegabten Marichall auf Seite 21, bei Björnjon, Bebel, Webjter und Strua (Seite 65). Aber auch der ftolze, im Wohlitand lebende, jelbitzufriedene Menjch blidt offen in die Welt; ebenjo der nimmer taftende Gmporfömmling im edlen oder unedlen Gimme Des Wortes, der PBarvenü. Hochitehende Lider finden wir ferner bei Kindern, wir fprechen deshalb vom „neugierigen Kinderauge”. Ebenfo wird die neugierige, nie ruhende, alles wijlenmwollende