In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen
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„Munde das Wafler zufammenläuft“. Diejfer Zug erjcheint im Bereich der Mimik bei widerliden Erfahrungen, galligen Grlebnifjen, efjigjauren Erinnerungen. Was jauer ijt, pflegen mir zu meiden, vor allem „jaure Gefichter und faure Arbeit". Der in der Fabel gejchilderte Fuchs mwürde die hocdhhängenden Trauben gerne verzehrt haben und glaubte genügend entjchuldigt zu fein, als er fagte: id) mag jie nit, weil fie jauer find! Die Lippen.
Die Vhyjiognomen früherer Zeiten haben den Mundbewegungen wenig oder geringe Aufmerffamkeit gejchenft und nur an Die feite Form fi) geflammert. Ym jicheren Bemwußtjein, daß der Mund viel zum Ausdrud bringt, haben jie enorm viel in ihn hinein und aus ihn herausphantajiert, was Der zitierte Ausjprud; von Lavater auf Seite 26 ahnen läßt. Wir übergehen bier den Wuft von Widerjprüchen und bejchränfen uns darauf, die gefunden Kerne herauszufchälen. Ueber die äfthetijchen Gejege war man im Altertum einig. Der jchöne Mund durfte nicht zu furz no) zu lang gejligt, die Lippen nicht zu Did, nicht zu dünn, nicht zu gemulftet, nit zu flad) jein. Die zarte, £lar gezeichnete Wellenlinie der Oberlippe, der jogenannte VBenuss oder Liebesbogen, galt als jchönjtes Mundmerfmal. Auch bei der Unterlippe mar die deutliche, nicht zerflojiene Kontur Hoch geihäßt. Vorjtehende Unterlippen galten als häßlic) und als Zeichen jtumpfer und roher Art. Sn der Tat verleiht die hängende Sippe dem Antlit etwas Unvor-= teilhaftes, Gemöhnlides, Drdinäres. MWbb. 119. Bei edler Gejichtsbildung beherriht Die obere Lippe Die Yänge der unteren. (Abb. 25.) Den Lippen jede phyliognomifche Bedeutung abzulprechen, Hiefe das Holz im Wald, den Knoblaud) in Frotoihin leugnen. Die ältejten Foricher behaupteten bereits, daß Stirn, Auge und NWafe mehr
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