In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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ziehen diejer Partien bleiben fie, wie die emporgezogenen Mundwinfel, den älteren, faltigen Gefichtern dauernd eigen. Diejes gleihmäßige leichte melodiöfe Lachen zeigt uns bereits Den Zuftand gefteigerter Freude, Luftigfeit und des Vergnügens an. Bevor wir jedod) diefes Stadium genauer bezeichnen, müfjen mir nod) einzelne Formen des Lächelns betrachten.

Höhere Kultur, verfeinerte und verjchlimmerte Sitten ichufen das Kunftladhen. Diefes ift vom Naturladien jo Himmelweit entfernt, wie das unfhuldige Lächeln des Kindes von dem geihulten, vom Spiegel Eontrollierten Lächeln der alternden Buhle, der Höflinge und Diplomaten — jo verjcdhieden, jagt Weber, „wie die Schminke der Danıen von den Rojen der Landmäddhen." Naturladhen bringt das innere in volliter Offenheit zum Ausdrud, Kunftlächeln meift das Gegenteil. Hier gilt dasjelbe wie bei der befannten Nedensart, „dazu lache id) nur“. Der Betreffende gibt zwar vor zu „lachen“, obwohl er mitunter lieber weinen mödte. Diplomaten, Staatsmänner und Weltleute find Meifter in diefer Kunft. hr Fünftliches, angenommenes Lächeln bringt nie zum Ausdrud, was der Teutjche Bufen hegt. Für Talleyrand war nicht nur die Sprade dazu da, die Gedanken zu verbergen, jondern aud) das Lächeln. Murat, der jpätere König von Neapel, jagte von ihm: „wenn diefer Vater der Heuchelei und Liige einen Yußtritt von Hinten befäme, fo mirde der vor ihm Stehende feine Spur in jeinem Lähelnden Geficht bemerken.“ Es gibt Menjcden, Die es in der „Kunft des Höflichkeitsgrinfens“ zur jeltenen Vollendung braten, ftundenlang diefen Ausdrud beibehalten und jeden über ihre Abfihten täufhen Fünnen. Diejes Lächeln beruht auf Hebung.

Zu diefen Beherrf hungsarten gehört das „in ji) hinein“, das „fi ins Fäuftchen lachen." Wir finden es mit „Bauernichlauheit“ gepaart, ebenfo bei Geizhälfen und Wucerern. So gibt es zahllofe Variationen des Lächelns, bis zum teuflijchen Schurfenlädeln, von dem Chafejpeare den Hamlet über den König jagen läßt, als er feines Vaters Geijt gejprodhen:

O Schurke! Tädhelnder, verdammter Schurke! Schreibtafel her, ih muß mirs niebderfchreiben,

Daß einer lächeln fann, und immer lächeln, Und doc ein Schurke fein.