In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen
Beim gezwungenen Lächeln tritt die Mundbewegung oft nur einjeitig auf. Das Geficht verrät die Zweifel, ob man laden joll oder nit. So pflegen verwirrte, verlegene, unfchlüfjige und blafierte Menjchen zu lächeln. Die eine Gejihtshälfte verharrt in Ruhe, die andere zeigt die charafteriftiichen Merfmale des Ladens wie Abb. 136. Kehren diefe Züge regelmäßig wieder, jo Haben wir es mit Schüdternheit und Unjicherheit zu tun. Diejer Ausdrud fann aud zu faljhen Sclüfjen Anlag geben. Es gibt Menjhen, die beim Läcdjeln einen Mundmwinkel jtärfer verziehen, wenn die Ausbildung der Mundmusfeln eine ungleihmäßige ift. Wie ein Auge, ein Ohr oder Bein jtärfer entmwidelt jein fann, jo aud) die Gejihtsmusfeln der einen oder anderen Geite.
Hinter dem „nichtsjagenden" Lächeln verbirgt ji) außerdem „ynterejjelojigfeit, Lauheit und Unmifjenheit. Das Iebtere jehr oft Hinter dem „gnädigen Lächeln” der Reichen und Mächtigen diefer Erde. Gemilje yormen des Lächelns find verpönt, jie verlegen und gelten alS Berfjtöße gegen gute lIm= gangsformen. mei diejer Arten geißelt Heine, indem er jeinem Atta Troll folgende Worte in den Mund legt:
Mich verlegte ftetS am meiften Senez jauerfüße Zuden Um das Vlaul — ganz unerträglich Wirkt auf mich dieg Menihenläheln!
Weit impertinenter noch, AL durd) Worte offenbart fich Durd) das Lächeln eines Menfchen Seiner Seele tiefite Frechheit.
Schopenhauer erteilt den Nat,*) die Aufrichtigfeit eines Steundes mit einer uns miderfahrenen Unannehmlichfeit zu prüfen. Fährt bei der Schilderung ein Lächeln über feinen Mund, dann ift er jehr fchadenfroh, folglich) unehrlicy, unaufrichtig.
*) Paränejen und Marimen.