In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen
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Spuren der Zuneigung und Abneigung ins Herz gegraben, jubjeftive Gefühlsitrömungen jind aus dem Bemwußtjein verdrängt. „Dengemäß“, jagt Schopenhauer, „hat man den rein objektiven Eindrud eines Gejihts nur beim erjten Anblid. Wie Gerüche uns nur bei ihrem Eintritt affizieren und der Gejchmad eines Weins eigentlid nur beim erjten Glafe; jo machen aud) Gefichter ihren vollen Eindrud nur das erjte Mal. Auf diejen joll man daher jorgfältig ahten: man foll ihn fi) merfen, ja, bei perjönlid uns widtigen Menjchen, ihn auffchreiben.“
Gefühle täufhen und der erjte Eindrud aud. Daß uniympathijhe Züge uns zu ungerehten Vorurteilen verleiten, wird fein Unbefangener bejtreiten. Sobald wir eine auffallend ähnliche Phyfiognomie mit einer uns befannten PBerjönlichkeit jehen oder deren Bewegungen und Sprecyweije an dieje erinnert, ind wir unbemwußt bereit, daS Urteil dem anzupajjen, das wir vom jeweiligen Befannten uns gebildet haben: „ganz jo wird er jein!“ GSelbjtverjtändlid, „der hat das aud) an fie) gehabt!“ So urteilt man jtündlid) und irrt ftündlid. Wenn irgend ein Sremder im wadhen Zujtande Nachbars jhhlafender Tante ähnelt, braudt zwijhen beiden nod feine Charafterverwandtichaft zu beitehen. Studieren wir vorurteilsfrei ein Verbrecheralbum, jo finden wir die jchwerjten Jungen mit den treujten, ehrlichiten, mwohlmwollendjten Gejichtern vertreten. VBergebens jucht man da nad) dem SKainzeichen des Verbrechens. Schopenhauer widerlegt id) jhließlich jelbjt Hundert Zeilen meiter, indem er jagt: „Um die wahre Phyjiognomie eines Menjchen rein und tief zu erfajjen, muß man ihn beobadten, wann er allein und fich jelbit überlajjen dajitt. Schon jede Gejellichaft und fein Gefpräd) mit einem Anderen wirft einen fremden Refler auf ihn, meiftens zu jeinem Borteil, indem er durch die Aktion und Reaktion in Tätigfeit gejegt und dadurd) gehoben wird. Hingegen allein id) jelber überlafjen, in der Brühe feiner eigenen Gedanfen und Empfindungenfhwimmend, —nurda iftergang und gar er jelbjt.”
Bor dem erjten Zufammentreffen hat man Körper- und Seelentoilette gemadt. Aus der Kleidung, den Umgangsformen, Berbeugungen und höflicyen Worten wird in der erften Befuchstunde in ein Geficht mehr hinein erklärt, als jpäter aus dem= jelben hinaus erflärt werden fann. Damit foll nicht beftritten
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