In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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des Herzens fein und nad) Schad der „unmittelbarjte Uebergangspunkt, durch welchen der Körper mit der Seele jid) verbindet.“ sn der Tat jpielt es bei der mimijhen Berförperung aller Geelenzuftände die Hauptrolle, weil feine überzeugende Sprache durch nichts übertroffen wird. Der Breslauer Augenarzt Brof. Magnus jagt daher mit Recht, „und wären wir jo redegemaltig wie Demojthenes oder Cicero, oder verfügten wir über einen Sluß und Reihtum des Ausdrudes, wie der beredtejten Einer unter unferen Parlamentariern, ja jprächen wir jelbjt mit Engelszungen, jo fünnte doc all unfere Kunft nicht bejtehen vor der fiegesgewaltigen Sprache der Augen. Wem dieje Sprade einmal geleuchtet Hat, der vergißt ihrer nimmermehr. Wenn jchon der Schnee des Alter unjer Haupt bleicht, jo jagt do) das Blut jchneller und heißer Durd) unfere Adern, gedenken wir jenes Blides, der uns geleuchtet hat, alS wir Liebe um Liebe taufhten.... Und wer fönnte je in jeinem Leben des Blides vergejjen, welcher ihm in dem Auge der Mutter geleuchtet hat? .... der milde Glanz des Mutterauges winkt uns tröftend aus jenen längjt vergangenen Tagen entgegen, in Denen das Mutterauge noc) leuchtete, die Mutterhand noch führte" Troß aller Berjtellungsfünfte offenbart der Menfch die geheimjten Falten feines MWejens immer in Augenbewegungen; wir müjjen darum die allgemeinen Urteile des Ariftoteles, Sokrates und Plinius bedingungslos unterjchreiben. Dasjelbe gilt von Ciceros Wus= jprud) in feinem Orator: „Auf dem Gefichte beruht die ganze Bedeutung des Redners und in dem Gefichte bejigen die ganze Herrfhaft Die Augen; das Gejicht ift das Abbild der Seele und ihre Verräter die Augen.“

Wie fommt es nun, daß wir troß diefer uralten Erfenntnis jo wenig Bojitives über das Auge mwijjen? Den Alten fehlten die anatomifh-phyjiologiichen Kenntnifje des Auges; fie hielten ji) an äußerlid mwahrnehmbare Merkmale, die zu Faljchen Schlußfolgerungen Anlaß gaben und glaubten obendrein, daß von der im Gehirn wirkenden Geele Ausflüjfe in das Auge erfolgen, weshalb Plinius behauptet: „Ganz gewiß wohnt die Seele in den Augen. Sie brennen, drehen jich Hin und ber, tränen und blinzeln. Wenn wir diefe Füljen, jo jeheinen mir die Seele jelbjt zu berühren.“