Orpheus : altgriechische Mysteriengesänge

ZU DEN HYMNEN

SH die Sonne Homers über den heiteren Gestaden des griechischenLandesleuchtet, erscheintdiehellenischeSeele trotz Waffenlärmes und gewaltsamen Geschehens des ehernen Zeitalters voneinerRuhe undKlarheit, die aus den Höhen des überlegenen Geistes das Weltgeschehen mit innerem Abstande betrachtet. Eine Zeit des naiven Heldenlebens, die in geschichtlichen Zeitläuften auch sonst einer stürmischeren und drängenderen Zeit voranzugehen pflegte. Leicht aufzuritzen war auch hier das Reich der Geister; im Grunde lebte auch im klassischen Volke der Hellenen jener allen Menschen eigene dunkle Zug zum mystischen Erleben, das Hinausstreben der harmonisch geordneten, individuell gebundenen Seelenkräfte indas um uns waltende Größere, in einen heftigeren und stärkeren Rhythmus des Lebens und des Erlebens.

Besonnenheit und Mäßigung, höchste Tugenden des klassischen Griechen, haben in der Seele seines Volkes nie den endgültigenSiegüberdenimInnern wirksamenDrangnachRausch und Maßlosigkeit davongetragen. Was aber in der geistiggebändigten griechischen Seele zunächst nur als dunkler Unterton mitschwang, das war an den Grenzen des Griechentumes, im stammverwandten, aber kulturell langsam zurückbleibenden Thrakien eine allgemein wirksame Form des geistig-seelischen Lebens. Das Fehlen der geistigen Höhe und Selbstbeherrschung ließ dort die seelischen Triebe um so hemmungs(oser sich austoben. Auf die freien, stürmischen Höhen nächtlicher Berge trieb es die erlebnishungrigen Seelen, ekstatischer Drang fand seine Auslösung in den fortreißenden Rhythmen von Tanz und Musik; in besinnungslosem Wirbel rasenden Tanzes fühlte sich der Mensch aufgehen im Wirbel der ihn umbrausendenNaturundimAtemdesihn umrauschenden Gottes. SolcherArtwarimthrakischenLandedernächtliche, ekstatische

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