Orpheus : altgriechische Mysteriengesänge

nahmenanihrenFesten wechselseitigen Anteil.Späterwurden beide Gottheiten in Attributen und Bedeutung einander angeglichen, und schließlich fast verschmolzen. Durch das Einfließen des dionysischen Elementes erhielt Apollon eigentlich erst die Eigenschaft als ekstatischer Seher, der aus der Raserei der erregten Seele spricht — im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Eigenschaft als objektiver und überlegener Zeichendeuter. Änderseits stand die Autorität des delphischen Orakels hinter dem neu aufkommenden Kult, und deren Wucht verhalfihm auch in anderen Gegenden zum Siege. So auch im späteren Kernlande griechischer Kultur, in Attika. Gerade dort erfuhr er seine höchste Umgestaltung und Anpassung an die Mäßigung und Gehaltenheit griechischen Wesens; in anderen Gegenden blieben allerdings die ursprünglichen Formen ganz ‚nach Temperament und Veranlagung mehr oder weniger bestehen.ImheiligenHaine vonAgra,inAttikajenseitsdesllissos, warderKult vonStaatswegen sanktioniert undtratneben den der Demeter in Eleusis. Man nannte jene zum Unterschied von diesen die kleinen Mysterien. Wahrscheinlich spiegeln diese dem Dionysos-Zagreus gewidmeten Feiern die Aufsaugung eines ursprünglich dem Unterweltgotte gewidmeten Kultes durch den vordringenden Dionysosdienst wieder. Die Feier fiel in den Frühlingsmonat Anthesterion, die Zeit des aus dem Wintertode erwachenden Gottes.

Solche offiziellen, im hellen Lichte des Tages stehenden Feiern konnten jedoch dem innersten Wesen des Gottes nicht voll genügen. Es gab eine weitverbreitete Gemeinschaft gesonderterSekten, die seinenKult zum Mittelpunktihresreligiösen Lebensmachten.Sienanntensichnachihrem angeblichen Gründer, dem sagenberühmten thrakischen Sänger Orpheus, der als Vorbild der veredelnden und begeisternden Sangeskunst überhaupt galt. Herodot, der von ihnen spricht, schreibt ihnen nach seiner beliebten Art ägyptischen Ursprung zu; in Wirk-

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