Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur
Nechepsos Himmelswanderung. 7
nocturnam lumae successimem, a fraternis occursibus lene remissumque lumen mutuantem et modo occultam modo toto ore terris imminentem, accessionibus damnisque mutabilem, semper proximae dissimilem. videbis quinque sidera diversas agentia vias et in contrarium praecipiti mundo nitentia: ex horum levissimis motibus fortunae populorum. dependent, et maxima ac minima proinde formantur, prout aequum iniquumve sidus incessit.‘) Da Poseidonios seine astrologischen Lehren sicher aus der ägyptisch-hellenistischen Literatur übernommen hat, kann er sehr wohl auch den Grundstock dieser Schilderungen ihr verdanken. Die Frage kann kaum abgewiesen werden, ob Dichtungen wie der Hermes des Eratosthenes einerseits, die Baruch-Apokalypse und verwandte jüdisch-hellenistische Schriften andrerseits von dieser Art Literatur beeinflußt sind. Denn auch hier scheint Nechepso nur eine vorhandene Form hellenistisch auszugestalten.”)
Damit ist für die Beurteilung auch des erhaltenen Corpus viel, aber doch nicht genug gewonnen. Daß in ihm Schriften verschiedenen Alters und verschiedener Tendenz vereinigt sind, erkannten z. T. schon die Humanisten und weiß, wer sie einmal durchblättert hat. Es fragt sich, ob wir auch nur eine von ihnen annähernd datieren und auf ihren Ursprung zurückführen können. Ersteres glaube ich für das erste Stück, den eigentlichen Poimandres, durch eine meines Wissens noch nicht verwertete literarische Beziehung zu dem Hirten des Hermas®), letzteres durch eine neugefundene ägyptische Inschrift erreichen zu können. Gelingt es zugleich Art und Zweck dieser
1) Über die Seneca-Stelle vgl. Beigabe I. Die Schilderung der seligen Schau, die sich den am Himmel wandernden Geistern bietet, kehrt mehrfach in der Hermetischen Literatur wieder, vgl. z. B. Parthey V5=p.43,16; XI 6—7 — p. 88, 17; Stobaios Ekl.I49 — p. 386, 3 Wachsmuth. Derselbe Gedanke ist durch Poseidonios außerordentlich verbreitet worden, vgl. besonders Badstübner, Zur Kritik und Erklärung der philos. Schriften Senecas, Programm des Johannes-Gymnasiums, Hamburg 1901.
2) Das völlige Tneinanderfließen der Astrologie und Theologie tritt dabei besonders scharf hervor. Daß es sich bei Petosiris-Nechepso zugleich um magische Einwirkungen auf die eiuapuevn handelte, zeigt die Erwähnung, wie man die einzelnen Gottheiten ansprechen müsse. Das weist auf Gebetsformulare und Mysterienvorschriften, wie sie unsere Papyri bieten. Sie haben sich mit der Visionserzählung und den theoretischen Darlegungen verbunden; aber die Form zeigt uns, daß das Werk für nichtägyptische Leser bestimmt war und sogar Schmuck der Darstellung erstrebte.
3) Ganz entgangen war sie freilich weder Baumgarten-Crusius noch Menard.