Rätearbeit und Nationalversammlungstragödien in Revolutionen : Den Arbeiter, Soldaten und Bauernräten Deutsch - österreichs gewidmet

QE

Die Haltung des Volkes war zu drohend, als daß der Hof den Verſuch gemacht hätte, feine Zuflucht zu den Bajonetten zu nehmen“*). So war die Situation, und unter dem Eindru> dieſer Stimmung des Volkes ſagte der ohnmächhtige König über die zurügebliebenen Vertreter des dritten Standes: „Schließli<, zumDonner, mögen ſie dort bleiben!“ - Später kamen ouh wieder die zwei anderen Stände in die Verſammlung, und Ende Juni, nah zweimonatigem Zeitverluſt, begann die konſtituierende Nationalverſammlung endli<h zu verhandeln.

Die Bedeutung des Baſtillenſturmes vom 14. Juli 1789 wollen wir hier niht beſonders beleuhten. Es iſt befannt, daß dieſe Wendung in der Revolution nicht die Nationalverſammlung, ſondern das Volk ſelbſt herbeiführte; doch die größte Nuhmestat der tonſtituierenden Nationalverſammlung müſſen wix betrachten: die Abſchaffung der Feudallaſten in der Nacht vom 4. Auguſt 1789. Aber wie kam der Beſchluß zuſtande? Schon. lange vor dem 4. Auguſt hatten die Bauern die Feudallaſten abgeſchafft: ſie zahlten in vielen Dörfern keinen Zehent, feine Gülten, Kehrzehnten und Grundzinſen, verbrannten die Bücher, in denen die Feudalrechte verzeichnet waren und brannten auh Schlöſſer und Klöſter nieder. Viele wurden als „Räuber“ verfolgt, gehenkt und erſchoſſen; die Adeligen merkten mit Entſetzen, daß es an Ort und Stelle feine Gewalt gab, die imſtande war, der Aufruhrbewegung Einhalt zu tun. Und was tat die Nationalverſammlung? Die Sitzung vom 4. Auguſt wurde mit dem Vorſchlag eröffnet, der eine Erflärung gegen dieſe Aufſtände verlangte. Die Verſammlung wurde aufgefordert, gegen die Aufſtändigen einen energiſchen Tadel auszuſprechen und die AchtungvordemEigentum laut zu betonen, ob es feudal ſei oder niht, gleichviel überhaupt, wie es entſtanden ſei, bis die Verſammlung den Gegenſtand geſecßli<h regeln würde. „Es ſcheint, daß das Eigentum und die Beſitzungen, gleichviel welcher Art, die Beute der verruhteſten Räubereien ſind“, ſagte der berichterſtattende Ausſ{huß. „Ueberall find die Schlöſſer niedergebrannt, die Klöſter zerſtört worden, die Pachtgüter der Plünderung preisgegeben. Die Steuern, die herrſchaftlichen Abgaben, alles wird vernichtet. Die Geſeße ſind machtlos, die Behörden ohne Autorität...“ — „Das ſind keine Räuber, die das tun!“ ruft da der Herzog von Anquillon:; „in mehreren Provinzen hat das ganze Volk einen Bund zur Zerſtörung und zur Verwüſtung der Ländereien gebildet, und vor allem wollen ſie ſih der Archive bemächtigen, wo die Urkunden der Feudalrehte und Beſißungen in Verivahrung ſind. “**)

Die Verſammlung ſollte demna< den König bitten, ſtrenge Maßregeln gegen die rebelliſchen Bauern zu ergreifen. Schon am Vortage war davon die Rede geweſen.

Einige weiterbli>ende liberale Adelige hatten aber ein paar Tage vorher beſchloſſen, die Feudalrechte dadurch zu retten, daß fie die Ehrenrehte und Vorrechte von geringem Werte opferten und bei den Feudallaſten, die auf dem Grund und Boden laſteten und einen reellen Wert hatten, von den Bauern die Ab-

*) Peter Kropotkin: Die franzöſiſche Revolution 1789 bis 1793. Deutſche -Ausgabe von Guſtav: Landauer. 1. Band, Seite 53.

*%*) Kropotkin: Geſchichte der franzöſiſchen Revolution 1789 bis 1793. I. Band, Seite 160.