Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen
218
anderen Gegenden wird das Blut beider in ein Glas Branniwein getropft und dieſes dann gemeinſchaftlich ge= leert. Dieſer auf eine Blutſchuld folgende Bund wird von den Hochländern ſehr heilig gehalten, dagegen die unter anderen Verhältniſſen geſchloſſene Blutsbrüderſchaft nit1 ſo hv<h angeſhlagen. Jn anderen albaneſiſchen Gegenden aber begründet ſie einen Bund für das ganze Leben und wird ſelbſt mitunter der Blutbruder für näher als der leibliche ſtehend angeſehen.
Von der beſtraften Treuloſigkeit eines Blutsbruders erzählte der Bajraktar von Toplana folgende niedliche Ge{<hihte: „Es waren cinmal zwei junge Männerz=—welche die Tapferſten in ganz Albanien zu ſein behaupteten. Sie machten Blutsbrüderſchaft miteinander und gingen zu einer Uugen Alten und fragten dieſe: Was müſſen wir tun, um für die Tapferſten im ganzen Lande zu gelten? Die Alte antwortete; Jhr müßt eine weiße Bärin aufſuchen und ſie erlegen. Da machten ſih die beiden auf und ruhten niht eher, bis ſie die weiße Bärin aufgefunden hatten. Das war ein gewaltiges Ungetüm mit einem ſ{<hneeweißen Pelze und der war ſo dic, daß keine Kugel dur<h ihn drang. Sie ſchoſſen alſo vergebens ihre Flinten und Piſtolen auf die Bärin ab und dieſe ſtürzte mit ſolcher Schnelligkeit auf ſie zu, daß ſie dem einen den Weg abſchnitt. Dieſer ſuchte ſih dadur< zu retten, daß er einen dicken Baum hinaufkletterte; die Bärin aber begann #0o= gleih, ihm nachzuſteigen. Wie ſie nun oben ihre Taßen ausgebreitet und den Baum umklammert hält, da faßt ſi<h der junge Mann ein Herz, gleitet auf der anderen Seite des Baumes herunter, pat die beiden Taten der Bärin und zieht ſie ſo feſt an den Baum, daß ſie weder beißen noh ſih regen kann. Darauf rief er ſeinem Bluts= bruder, daß ex herbeikommen und die Bärin totſchlagen folle. Aber der hörte und ſah niht, und es dauerte zwei Tage, bis er ſi< wieder herbeitraute, um zu ſehen, was