Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Hiſtoriſcher Roman von L. Haidheim, 83

von Neuem in die Arme und flüſterten, in allem Unglück ſei es ja doch ein unausſprechliches Glüd, daß ſie ſih fo grenzenlos lieb hätten, und wenigſtens dies eine einzige Mal ſi dies ſagen zu dürfen.

Es war eine falte Nacht; ſie fühlten nils davon, ſie fonnten nichts Anderes empfinden, als das ſelige Glü>, bei einander zu ſein. Ex hüllte ſie in ſeinen Pelzro> und ging mit ihr, wenn er fürchtele, daß ſie zu falt geworden ſei, im Gange leiſe auf und ab. Dort wohnte Niemand, der Ritterz ſaal in ſeiner ganzen Länge ſtieß daran, man war vox Lauſchern hier ziemlich ſicher. Nach und nach vergaßen ſie dann Beide der Bande, welche ſie feſſelten, und gaben ſich mehr und mehr der Wonne hin, aus vollem Herzen die Liebe ſtrömen zu laſſen, die ihnen fo viel Qual bereitet und die ſie nun doh um kein anderes Glüd> der Welt hätten hingeben mögen.

Ex hob ihx Kinn empor und ſchaute trunken in ihr Antliß, in dieſe Augen, in welchen für ihn Alles lag, was das Herz entzüd>t; er ſpielte mit ihrem aus dem langeu Neb geſchlüpften glänzenden Haar, küßte jeden ihrer Finger, und ſie flüſterte ihm dann zu, wie ſelig ſeine Licbe ſie mache, wie ſie wünſche, in dieſem Augenbli> zu ſterben, denn höheres Glü> könne das Leben niht mehr bieten.

Stunde um Stunde verrann, ſie merkten es niht. Dicht an einander geſchmiegt, fanden ſie kein Ende des zärtlichen Geplauders, und als das Krähen eines Hahnes, dem gleich darauf das aller anderen Hähne der Burg antivortete, ſie erſtaunt zuſammenſchre>en machte, wollten ſie es Beide gar niht glauben, daß der Morgen anbreche.