Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

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Zagend und zögernd war er über die den Todten ge= heiligte Schwelle getreten und geſenkten Blies zu dex Stelle geſchritten, wo das Weib lag, das ihn ſo tief vex= lebt hatte.

Eine ſanfte, ſüße Stimme begrüßte ihn, und als ex die Augen aufſ<lug, begegnete ſein Bli> demjeuigen Adas, dex mit einem feuchten, verklärten Ausdru>e auf ihm ruhte.

Sie Hatte die lebten Roſen ihres Gartens gebracht, um damit Melinens lebte Ruheſtätte zu ſ{hmüd>en.

Das fromme Gebet auf ihren Lippen exſtarb, als ſie Rohnegg daherkommen ſah; fie war ihm einige Schritte entgegen getreten, und jeßt bot ſie ihm die Hand, indem fie mit bebender Stimme ſagte: „Sie fommen, um endlich das Wort der Vergebung zu ſprechen.“

Ex faßte ihre Rechte feſt zwiſchen ſeinen beiden Hän= den, aber ex blieb ſtumm.

Mit ſanfter Gewalt zog ihn Ada näher an das Grab heran. „Auch ih habe einſt Groll gegen ſie im Herzen getragen ,“ flüſterte fie, halb von Thränen exrſti>t, „aber der Todten habe i< Alles vergeben.“

„Gerade durch ihren Tod hat ſie ihre Schuld bekannt und no< in leßter Stunde die Schande offenkundig auf mein Haupt gehäuft,“ verſeßte er bitter.

„Wix ſind Keines ohne Fehl,“ ſagte Ada ſanft. „Nox= bext, um meinetwillen bannen Sie jeden Groll aus Jhrem Herzen.“

Er ſah ſie an, und die Erwiederung entfloh von ſeinen Lippen, ohne daß er ſie ausgeſprochen hatte; ex ſenkte das

Bibliothek. Jahrg, 1886. Bd. TIL. 12,