Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

180 Eine unglücfliche *Dichlexin.

Schiller mochte mit dergleichen Zuſendungen mehr als zux Genüge geſegnet ſein; er erließ fein beſonderes Antz wortſchreiben darauf, las aber die empfangenen Gedichte durch, fand ſie in der That lobenswerth und talentvoll und beſtimmte eine Auswahl derſelben zux Veröffentlichung in den „Horen“, wo ſie unter dem einfachen Namen „Luiſe“ exſchienen. Allein es vergingen do< Wochen und Monate, ehe dies bewerkſtelligt wurde, und dieſe Zwiſchenzeit mit ihrer Ungewißheit ſcheint denn die Geduld der Abſenderin auf eine zu harte Probe geſtellt zu haben. Sie eröffnete ihrer dichteriſchen Freundin das Geheimniß der Zuſendung an Schiller und munterte ſie auf, ſi< nachträglich ſelbſt an ihn zu wenden. Zufolge deſſen erhielt der Dichter im Sanuaxr 1798 einen Brief mit kleiner zierlicher Damen= ſchrift aus Weißenfels in Thüringen, in welchem ſich die Verfaſſerin der Gedichte zu erkennen gab und der mit den Worten ſ{<loß :

„Obgleich mich die Ehre, eine Stelle in den „Hoven“ zu finden, entzücken würde, ſo thäten Sie mix doh Unrecht, wenn Sie glaubten, daß dies der Beweggrund meines Briefes ſei; ſchon der Gedanke, meine Gedichte in Jhren Händen zu wiſſen, hat einen unendlichen Reiz für mich, wenn Sie mich auh nicht eines Uxlheils darüber oder eines Rathes für die Zukunft würdigen ſollten; ih wage cs nicht, auf dieſes Glück ſo verdienſtloſe Anſprüche zu machen, aber mdchte Jhnen wenigſtens mein Brief die grenzenloſe Verehrung ausdrücen, mit der ih die Ehre habe zu ſein Jhre ganz ergebene Dienerin

Luiſe Brachmann.“

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