Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

182 Cine unglü>lihe Dichterin.

Sohn, jener unter dem Namen Novalis bekannte Dichter, der ſi Luiſens poetiſche Ausbildung angelegen fein ließ und ihre Studien leitete. Der Cinfluß des Lebteren auf das ſhwärmeriſche, für alles Jdeale begeiſterte Mädchen war ein mächtiger, und der ihm eigene Zug zur Romantik fand in der jungen Dichtexin einen nur allzu fruchtbaren Boden. Die dichteriſhe Welt, in die ſie ſi< mit ihrer Phantaſie hinein träumte, trat aber nur zu bald in grellen Widerſpruch mit der Wirklichkeit.

Einige Jahre lang ging noh Alles friedli<h und nah Wunſch. Jm regen freundſchaftlichen Verkehr mit den Hardenbergs, unter gemeinſamen Studien und poetiſchen Unterhaltungen mit dieſen floſſen dem jungen Mädchen unter der ſhüßenden Obhut ihrer Eltern die Tage ruhig und angenehm dahin. Dex Umgang mit Novalis bot ihrem Geiſte reiche Nahrung, die warme Freundſchaft der Schweſtern erfüllte ihr ganzes Herz, die Anerkennung und Aufmunterung ihres Talents, die ihr von Schiller zu Theil wurde, ſpornte fie zu immer höherem Streben an. Allein dieſes idylliſche Leben ſollte niht von Dauer ſein.

Auf Cinladung ihres Bruders, der in Dresden Lebte, war Luiſe im Sommer des Jahres 1800 nach der ſächſi= ſchen Reſidenz gereist, voll der ſ{önſten Hoffnungen, mit “ denen ſie das Leben dieſer reizenden Stadt erfüllte. Allein dieſer erſte Schritt aus der Stille und den patriarchali= ſchen Verhältniſſen der Kleinſtadt wurde für ſie verhängnißvoll. Niemand weiß eigentlich anzugeben, was thr dort in den Weg getreten. Fröhlich und guten Muthes kam ſie in Dresden an, fand bei dem Bruder, dex ſie zärtlich