Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

196 Das Taſchentuch und ſeine Geſchichle,

Heutzutage freilich bildet das Taſchentuch eine unentz behrliche Ergänzung der Kleidung, fo daß Derjenige, welcher daſſelbe einmal mitzunehmen vergeſſen hat, weder Ruhe no< Vergnügen genießen kann. Da die Alten be= fanntlich mehr als die ſpäteren Generationen regelmäßige Bäder liebten und- überhaupt viel Sorgfalt auf die Pflege der Haut verwendeten, ſo iſt es immerhin mögli, daß dies den Gebrauch des Tuches für Mund und Naſe überflüſſig machen oder wenigſtens ſehr beſ<hränken konnte.

Sollte dies wirkli der Fall ſein, ſo zeigt uns bez reits das beginnende Mittelalter dux< den Gebrauch des Schnupftuches, wie ſehr die Reinlichkeit abgenommen hatte, denn ſhon in den früheſten Saßungen der chriſtlichen Kixche, z. B. in den Dekretalen des heil. Jſidorus (7 636), Erzbiſchofs von Sevilla, findet ſich die Vorſchrift, daß jeder Mönch unter ſeinen Kleidungsſtücken und Geräthſchaften auh ein „fac alis“, d. Hh. ein Tuch zur Reinigung des Geſichtes, haben ſolle. Ob aber die Mönche davon auh zur Reinigung der Naſe Gebrau<h machten, iſt fraglich. Auch dex berühmte Flaccus Alcuinus (f 804), der Bex= traute und Rathgeber Karls des Großen, ſpricht beſtimmt von einem Tuche, facitergium genannt, welches die Geiſt= [ichen auf der linken Seite txugen und womit ſie ſi während ihrer kirhlichen Verrichtungen Augen und Naſe abwiſchten. Allein dieſe Tücher ſcheinen mehr zur kirch= lichen Pracht und Ziex, als zum wirklichen tagtäglichen Gebrauche verwendet worden zu ſein. Cs würden ja ſonſt faum die Benediktiner von Diſentis (in Graubündten) um das Jahr 670 ihre vierundzwanzig „Facitereuli“ vor dem