Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

198 Das Taſchentuch und ſeine Geſchichte.

dent Zeit, bis gegen das 16. Jahrhundert hin, war dex Gebrauch dex Taſchentücher kein allgemeiner. Gegen die aus dem Mangel eines Taſchentuches ſi< ergebende Un= ſauberkeit exhob Erasmus von Rotterdam, einer der hervor= ragendſten Repräſentanten ſeines Zeitalter2, feine Stimme, und zwar in einem bei ihm ſonſt ungewohnten derben Tone. Jn ſeiner, einem Prinzen von Burgund zugeeigneten Anleitung zux Wohlanſtändigkeit — die man vielleicht niht mit Unrecht als den älteſten deutſchen „Anſtand2= Katechi8mus8“ bezeihnen könnte — äußert ex ſi<h nämli< wie folgt: „10te Frage: Wie foll die Naſe mit irem zugehör gehalten werden? Reinklich; nit roßih, wie ein unſauber geſchirr. 11te Frage: Jſſt es auh höflich, mit dem paret (Müße) oder ro> die naſen ſhneußen? Nein, - denn ſellihs gehört ſi<h zu thun mit einem Facilletlein. So aber dapffer leut vorhanden, ſoll ſi<h der Knabe fein umkehren und ſauber machen u. ſt. f.“

Bis gegen das 16. Jahrhundert gebrauchten die Deutſchen keine anderen Ausdrü>e, als die dem italieniſhen „fazzoletto“ (welches wieder auf das barbariſch-lateiniſche facialis, facitergium fi zurüdführen läßt) nachgebildeten Worte „Fazolet, Fabolin, Facilletlein, Faßcunlein, Facele“, welche ſih au<, nux hier und da etwas verändert, bis auf den heutigen Tag in vielen Gegenden Oeſterreichs, Bayerns, in dem Schwarzwalde u. |. w. erhalten haben.

Wenn nun auh der Gebrauch der „Nastücher“ in der früheren Zeit ein ziemli<h beſchränkter wax, ſo hatte man doch ſchon äußerſt werthvolle, mit koſtbaren Spißen beſeßte Exemplare. Die edlen Frauen des Mittelalters, welche