Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Von Oswald Heim, 201

eingenomnien waren, ſchon als einen Fortſchritt. Endlich im Jahre 1829 wurde das große Wort zum erſten Male auf offener Scene geſagt, zum Entſeßen der Einen und zum Triumphe der Anderen. Dies geſchah bei Gelegenheit der exſten Aufführung des „Othello“ im Théâtre francais. Alfred de Vigny gebührt das Verdienſt, den großen Briten zuerſt auf dex franzöſiſhen Bühne eingeführt zu haben, und ſo ſehr das Publikum im Großen und Ganzen ihm Beifall zollte, ſo ſehr verdammten ihn die Aeſthetiker und Haaxrſpaltexr, und zwar zumeiſt, weil ex die Taſchentuüchſcene niht unterdrückt oder verändert hatte. Heutzutage iſt man üktex ſolche Skrupel weit hinaus. In der höheren Tragödie wendete — nebenbei bemerkt Shakeſpeare das Taſchentuch zuerſt -an, und zwar in „Bthelſo“; aber au< ſonſt iſt dem Taſchentuch auf der Bühne oft eine wichtige Rolle zuertheilt: wir exinnern nux an „Tartuffe“ und „Ruy=Blas“.

Es iſt merkwürdig, daß ein ebenſo beſcheidener als unentbehrlicher Gegenſtand, wie das Taſchentuch, in der Toilette der Damen erſt in der neueren Zeit eine öffent= liche Rolle ſpielen durfte. Früher verbarg man es ſorg= fältig in der tiefſten Tiefe ſeiner Taſche, und es wäre ein gewaltiger Verſtoß gegen dn guten Lon geweſen, ſi{< deſſelben vox den Augen Anderer zu bedienen. Erſt im Anfange dieſes Jahrhunderts wurde es durch die Kaiſerin Joſephine courfähig gemacht; dieſelbe halte bekanntlich ſehr ſchlechte Zähne, und da es damals no< nicht künſtz liche Zähne in ſolcher Vollendung gab, wie jeht, ſo ließ ſie fi<, um dieſen Mangel zu verde>en, kleine, zierliche,