Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

202 Das Taſchentuch und ſeine Geſchichte.

ſpihenbeſeßte Taſchentücher anfertigen, welche ſie während der Konverſation wie ſpielend graziós zum Munde führte. Natürlich beeilten ſi<h alle Damen ihrer Umgebung, um der Kaiſerin zu gefallen, dieſes Beiſpiel nachzuahmen, und das kleine fokette Taſchentuch erhielt von da an ſeinen Plaß in der Damentoilette.

Abex wie der Luxus bei allen Gegenſtänden der Toilette eine ſo bedeutende Rolle ſpielt, ſo hat er ſi< au< des unanſehnlichen Taſchentuches bemächtigt; die Dimenſionen und die Qualitäten, in denen ſi<h heutigen Tages Aus= ſtattung und Verzierung der Taſchentücher bewegen , ſind bereits derartige, daß man nicht mehr weiß, wohin ſie noh ſtreben, beziehungsweiſe wie ſie endigen werden. Die auserleſenſte Sti>kerei bede>t die Ränder des Battiſtes; der Namenszug iſt mit den kapriziöſeſten Arabesken unt= geben. Manches dieſer Taſchentücher koſtet eine fabelhafte Summe und — was am beachtenswertheſten iſt — unſere ſchönen Modedamen benüßen es kaum oder gar nicht.

Das Taſchentuch dient auh häufig als Telegraph. Jn vielen geſellſchaftlichen Cirkeln leiſtet daſſelbe ebenſo herz vorragende Dienſte, wie etwa der Fäher. Ganz treffend bemerkt hierüber Dingelſtedt: „Die Taſchentücher der Frauen find weiße Battiſtfahnen mit Säumen und Chiffern in Gold geſti>t, die im kleinen Kriege dieſelbe Bedeutung annehmen, welche ſie im großen haben. Sie aufziehen bedeutet: der Plaß ergibt ſi<h.“ Anſtatt der Fnitialen oder des Vornamens ſti>t man neuerdings eine Blume in die Ee dex eleganten Battiſttücher, wodur< die Blumen= ſprache wieder zu Anſehen kommt. Die Roſe ſagt: ih bin