Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
82 Erſte Ordnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Menſchenaffen).
und dort ſo lange verweilen, als es Nahrung gibt, nah Aufzehrung derſelben aber wieder Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung- unternehmen. Der Schimpanſe bekundet ſ<harfen Verſtand und warme Liebe zu ſeinen Fungen.
Über Zeit und Umſtände der Paarung, Schwangerſchaft und Entwi>elung der Fungen 2c. ſind mix keinerlei Angaben bekannt; ih weiß bloß aus Beobachtung an gefangenen Fungen, daß deren Wachstum weit langſamer vor ſih geht, als man bisher angenommen zu haben ſcheint. Der Zahnwechſel beginnt niht vor dem zurücgelegten vierten Lebensjahre, wahrſcheinlih no< um ein Jahr ſpäter. Ein Schimpanſe, welchen ih drei Fahre lang pflegte, war, als er in meinen Beſiß kam, jedenfalls älter als zwei Jahre und wechſelte erſt kurz vor ſeinem Tode die unteren Schneidezähne; der Zahnwechſel würde alſo, die Richtigkeit meiner Annahme vorausgeſeßt, erſt im ſechſten Lebensjahre ſtattgefunden haben. Wenn man, hierauf fußend, den Schimpanſen bezüglich ſeines Wachstums und des zu erreichenden Alters dem Menſchen annähecnd gleichſtellt, wird man ſih ſ{hwerlich irren.
Über das Freileben der Schimpanſen geben uns die Mitteilungen von H. von Koppenfels wertvolle Aufſ<hlüſſe, da ſie eigener Anſchauung entſpringen. „Gleich dem Gorilla baut der Schimpanſe für ſeine Jungen ein ſtorhartiges Neſt, nur mit dem Unterſchiede, daß er dasſelbe auf ſtärkeren Bäumen, in größerer Höhe und etwas kleiner anlegt. Der männliche Gorilla, als mehr auf der Erde lebend, verbringt, wie ſhon bemerkt, die Nächte am Fuße des das Neſt tragenden Stammes, der Schimpanſe hingegen auf dem Vaume ſelbſt, in einer Vergabelung von Zweigen, hart unter dem Neſte ſeiner Familie. Du Chaillu fonnte alſo leiht zu dem Glauben gelangen, daß dieſes nur für ſeine Jungen hergerichtete Neſt ein Schußdach ſei.“ Eine Begegnung mit Schimpanſen ſchildert von Koppenfels folgendermaßen: „Mehrere Tage hatte ih nun \{<on vergeblich weite Stre>en abgeſucht, als eines Morgens das dumpfe Grollen eines Gorillas an mein Ohr ſ<lug, gleich darauf der laut gellende Schrei eines jungen Tieres. Sofort entledigte ih mich aller überflüſſigen Gegenſtände und <li mi<h vorſichtig hinan. Nach einiger Zeit höre ih Zweige raſcheln; das Geräuſch nimmt zu, und ih ſehe eine große Bande Schimpanſen auf hohen Kolanußbäumen die Früchte pflücken. Näher kommend, bemerke ih etwas entfernter ein Gorillaweibchen; zugleih ertönt abermals das Grollen aus einem dihten Unterholze.
„Nunmehr war ich ſchon ſo nahe, daß ih leiht bemerkt werden konnte. Jh legte mich daher flah auf die Erde und kroh wie eine Schlange vorwärts. Endlich hatte ih ganz erſchöpft einen verbergenden Farnbeſtand erreicht. Dort kauerte ih mich nieder; waren doh die nächſten Schimpanſen im Bereiche meiner Büchſe. Auf ſié hatte ih es indes nicht abgeſehen, ſondern auf den alten, mir no< unſichtbaren männlichen Gorilla. Wie dies aber bewerkſtelligen? Schräg über mir hatte ich die ſharfäugenden Schimpanſen, und nux auf Umwegen konnte ih zum Verſte>e des verborgenen Tieres gelangen. Es iſt ſehr bedauerli, daß man im Jagdeifer oft vergißt, die Tiere in ihrem Gebaren zu beobahten, und niht bedenkt, daß die Kenntnis davon oft wichtiger iſt als der Beſiß des Tieres ſelbſt. Während der kurzen Friſt, welche ih mir in den Farnen zur Beobachtung gönnte, fiel mix die gemeſſene Vorſicht auf, mit welcher die Schimpanſen auf die äußerſten Enden der langen Zweige auf allen vieren hinausliefen, um Nüſſe zu pflü>en. Wurden die Äſte dünner, ſo hingen ſie ſich, den Rücken der Erde zugekehrt, daran, hatten mit jeder Hand einen Zweig erfaßt und behielten beim Fortbewegen jedesmal drei ſichere Haltepunkte, bevor ſie mit der freien Hand nah den Früchten griffen, die ſie dann auf weniger halsbrehenden Plägzen verzehrten, um ihx ſ{hwindelerregendes Klettern immer wieder von neuem zu beginnen. Da fühlte ih mich plöglih über und über von den fürchterlichſten aller Ameiſen, den ſogenannten „Treibern“, bede>t. Da war kein Beſinnen möglich. Blißſchnell hatte ih die Doppelbüchſe auf den größten mir erreihbaren Affen gerichtet und mit Erfolg gefeuert.