Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

90 Erſte Drdnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Menſchenaffen).

ausnahmsweiſe ſich zu entfernen, weil ex die Bedeutung des trennenden Glaſes genau kennt; nehme ih aber eine Schildkröte, Eidechſe oder Schlange in die Hand, ſo eilt er im ſchnellſten Laufe davon, um ſi zu ſihern. Alles ſhlangenähnliche Getier iſt ihm unheimlich.

Heute, während ih dieſe Zeilen überleſe, weilt das vortreffliche Tier nicht mehr unter den Lebenden. - Eine Lungenentzündung, welche auf eine Halsdrüſengeſhwulſt folgte, hat ſeinem Daſein ein Ende gemacht. F< habe mehrere Schimpanſen krank und einige von ihnen ſterben ſehen: keiner von allen hat ſi< in ſeinen leßten Lebenstagen ſo menſ<hli< benommen wie dieſer eine. Das mehrfach erwähnte Männchen kam ebenfalls krank in Europa an, war, wie ein leidendes Kind in gleicher Lage, eigenſinnig, klammerte ſih ängſtlih an dem ihm zuerteilten Wärter feſt oder ruhte bewegungslos auf ſeinem Lager, den ſ{<merzenden Kopf mit einer oder beiden Händen haltend, verweigerte Arzneien zu nehmen, zeigte ſih auh ſonſt oft unfolgſam und unartig: vorſtehend beſchriebener Schimpanſe, der geſittetſte, welchen i<h jemals kennen gelernt habe, verleugnete au<h während ſeiner Krankheit die ihm gewordene Erziehung niht. Er genoß die ſorgſamſte Pflege mehrerer Ärzte, welche dem Verlaufe der Krankheit mit um ſo größerer Teilnahme folgten, je mehr ſie den Leidenden ſhäßen lernten, und ih kann deshalb wohl nichts Beſſeres thun, als einen dieſer Ärzte, DE Martin, ſalt meiner reden zu laſſen.

„Jn meiner Eigenſchaft als Arzt machte ih die Bekanntſchaft des Schimpanſen Ende Dezember bei trübem Winterwetter. Jh zögerte nicht, der auh an mi ergangenen Bitte, dieſes Tier zu behandeln, Folge zu leiſten; denn die vergleichende Anatomie ſprach in vorliegendem Falle dem Menſchenarzte größeres Recht als dem Tierarzte für die Behandlung zu. Jh hatte den Schimpanſen vordem oft beobachtet und die Ausgelaſſenheit ſeines Weſens, das lebhafte Mienenſpiel, die raſtloſe Beweglichkeit und die unbegrenzte Liebe zu ſeinem Pfleger angeſtaunt. Um ſo mehr überraſchte mi<h der Eindru>, welchen der kranke Affe auf mih machte. Bis auf den Kopf in ſein Debett gehüllt, lag er ruhig und teilnahmlos gegen alles, was um ihn her vorging, auf ſeinem Lager, den Ausdru> ſ{<weren Leidens im Antlize, von Huſtenanfällen geplagt, in oberflächlicher, aber beſchleunigter Atmung nah Luft haſchend, nur zeitweiſe unter Schmerzensſeufzern die Augen aufwärts ſ{<lagend. Wie ein Kind ſcheute er vor mix, dem ihm unbekannten Manne, zurü> und machte an dieſem Tage eine genauere Unterſuchung unmöglich. Lettere gelang erſt, nahdem ih während der folgenden Beſuche dur<h Beileidsbezeigungen und freundliches Nähertreten ſein Vertrauen mix erworben hatte. Außer bedeutender Schwellung der Lymphdrüſen zu beiden Seiten des Halſes ließen ſi<h Veränderungen des Gewebes in beiden Lungenſpißen und eine neuerdings hinzugetretene Entzündung des linken unteren Lungenlappens feſtſtellen. Hierzu kam noch eine eiternde Geſchwulſt vor und unterhalb des Kehlkopfes, welche nahweisli<h mit der Drüſenerkrankung im Zuſammenhange ſtand und bereits Kehlkopf und Luftröhre zuſammenpreßte, früher oder ſpäter alſo entweder zur Erſtiékung führen oder zum Dur<bruche nah außen oder innen kommen oder, was wahrſcheinlicher, ihren Fnhalt in den Mittelfellraum ſenken und dadur< weitere Gefahren hervorrufen mußte. Das beklagenswerte Ge\<öpf ſchien ſich dieſer Geſhwulſt als Atmungshinderniſſes bewußt zu ſein; wie bräunekranke Kinder in ihrem Lufthunger nah dem Site des Leidens faſſen, ſo führte der Schimpanſe meine unterſuchende Hand, als erwarte er in dunkler Ahnung von dieſer Hilfe, immer und immer wieder zur Halsgeſhwulſt zurück.

„Nach vorgängiger Beratung mit einem Berufsgenoſſen wurde die Öffnung des Sentungsgeſhwüres durch einen Schnitt in der Höhe des Kehlkopfes als dringend notwendig erkannt. Leicht gefunden war dieſer Rat, ſhwierig die Art und Weiſe der Ausführung. Jede Bewegung des leidenden Tieres während der wundärztlihen Operation konnte dem Meſſer eine tödliche oder doh ſ{<wer verleßende Richtung geben. Betäubung dur<h Chloroform