Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Alfred Edmund Brehm. NT
Schuhſchnabel (Palaeniceps rex), ausgeſtopft auf dem Tiſche ſteht, während er zur Erinnerung an ſeine Vorliebe für deutſche Vögel ein zutrauliches Blaukehlchen auf der Hand hält.
Natürlich wurde niht immer bloß Naturkunde getrieben, geſammelt und ausgeſtopft, ſondern der Vater ergänzte die Lücken, welche der Beſu der Elementarſhule naturgemäß bei ſeinen Kindern zurü>laſſen mußte, durch ſorgſamen, ſelbſterteilten Privatunterricht, ſo daß ſie ſpäter wohlvorbereitet höhere Lehranſtalten beziehen konnten. Abends ſaß Alfred oft — und hier laſſe ih wieder Bet a das Wort — „mit ſeinen Geſchwiſtern till und lauſchend in dem Studierzimmer des Vaters, und ſie ſahen zu, wie er ſtopfte‘ während die Mutter ſehr dramatiſch Erlebniſſe erzählte oder aus Siller und Goethe vorlas. Fhr dramatiſches Talent war ſehr bedeutend und iſt ziemlich ungeſ<hwächt auf den Sohn und deſſen Bruder Reinhold, den Doktor in Madrid, übergegangen. Mit einer von den Brüdern gemeinſam verfaßten Poſſe, benannt „Die beiden Zimmerleute‘, die beide Meier heißen, beide aus Ruhla und beide verheiratet ſind (die ganze Handlung des ſpannenden Stücks), haben ſie manchen Thüringer Philiſter und Bauer in Lachkrämpfen unter den Tiſch gebracht. Ex (Alfred) hätte einen vortrefflihen Schauſpieler gegeben und auh als Sänger ſeinen Mann geſtellt.“ Sein lebelang blieb ihm die Vorliebe für die Poeſie im allgemeinen und für die dramatiſche Dihtung im beſondern treu, und noch auf der ſibiriſchen Reiſe (1876) verkürzte er den Reiſegefährten dur< Deklamationen aus Goethes „Fauſt“ die Fahrt auf dem einſamen Jrtiſh. Sicherlich hat dieſer von mütterlicher Seite ererbte Geſhma> an Schönheiten der Sprache und des Gedankenausdru>s die Lebendigkeit und Anſchaulichkeit ſeines Stils vorteilhaft beeinflußt. Seine Erſtlingsſhriften waren mit Anführungen in gebundener Rede faſt überladen, und Dichtungen, welche tieferen Eindru> auf ihn gemacht hatten, wie das herrlihe Gediht Rü>erts über das Leben des Eichhörnchens im Baum- * wipfel, wurde ex niht müde, immer von neuem zu wiederholen.
Mit einer gewiſſen Verwunderung erfahren wir nath alledem, daß der angehende Naturforſcher nah ſeiner 1848 erfolgten Konfirmation ſih nicht, wie ſein Bruder Reinhold, dem Studium der Medizin oder der reinen Naturwiſſenſchaft zuwendete, ſondern ein praktiſches Fach erwählte und Architekt zu werden beſhloß. War es Zaghaftigkeit, die ihn befürchten ließ, als Beobachter niemals ſeinem Vater glei<kommen zu können? War es die klare Erkenntnis, daß nichts für die Anerkennung eines jungen Naturforſchers hinderlicher ſein kann, als wenn er gerade das Fach erwählt, in welhem ſein Vater einen bedeutenden Namen gewonnen? Oder geſchah es nur, um zunächſt einen feſten Anhalt ſür das Leben zu gewinnen, da die Ausſichten eines bloßen Naturwiſſenſchaftlers für eine anſtändige Verſorgung
damals noh geringer waren als heute? Er widmete ſi< in der That dem Baufache in Altenburg bis 1847, alſo volle 4 Jahre lang, und er hat die dabei erworbenen praktiſchen Kenntniſſe ſpäter ohne Zweifel bei der Leitung und Einrichtung zoologiſcher Jnſtitute ret gut verwerten können. Die fſi< unerwartet darbietende Gelegenheit, fremde Länder zu beſuchen, riß ihn ziemlih plößlih aus dieſen Brotſtudien.
Der württembergiſhe Baron John Wilhelm von Müller, ein eifriger Jäger, Natuxfreund und Vogelliebhaber, welcher ſhon früher einen Teil Afrikas für ornithologiſche Zwecke durchſtreiſt hatte, ſuchte für eine zweite Reiſe dieſer Art, die ſih weiter nah dem