Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

662 Achte Ordnung: Zahnarme; zweite Familie: Ameiſenbären.

mit verſchlingt. Man hat deshalb voreilig den Schluß gezogen , daß der Ameiſenfreſſer auh Pflanzenſtoffe verzehre, während andere die Erflärung geben, daß der Genuß dieſer Holz- und Erdteilchen bloß dazu diene, um die Verdauung zu erleihtern. Daß der Yurumi außer ſeiner Hauptnahrung ſehr gern au<h Wurmaſſeln und Tauſendfüße ſowie Würmer verzehrt, falls dieſe niht zu groß ſind, unterliegt reinem Zweifel. Den Würmern ſoll er oft lange na<hſpüren und dabei mit ſeinen ſtarken Klauen die morſchen Stämme ganz zerſplittern. Über die Fortpflanzung erfahren wir noch, daß das Junge der Mutter ein ganzes Fahr und darüber folgt und von dieſer bei Gefahr dur kräftige Schläge mit den geballten Vorderpfoten verteidigt wird. Solange der junge Yurumi nicht im ſtande iſt, die Termitenbaue aufzubrechen, ſoll die Alte für ihn ſorgen.

Einige bemerkenswerte Mitteilungen über den Yurumi gibt Bates. Ex erhielt einen erlegten; das abſonderliche Wildbret wurde gebraten und erwies ſi<h als vortrefflich, dem Fleiſche der Gans einigermaßen ähnli<h. Die Bewohner von Caripe rührten es niht an, weil es, wie ſie ſagten, niht üblich wäre, es zu eſſen. Später verlor der Bates mit Fleiſch verſorgende Jäger ſeinen Hund durch einen Yurumi: dieſer hatte den Hund durch ſeine Krallen auf den Tod verwundet. Auch aus dieſer Angabe geht hervor, daß die Mitteilungen älterer Berichterſtatter über die Verteidigungsfähigkeit des Ameiſenbären keineswegs aus der Luft gegriffen ſind. Tſchudi erfuhr an ſi ſelbſt, daß mit einem gereizten Ameiſenbären niht zu ſpaßen iſt: ein verwundeter und zuſammengebrochener raffte ſih wieder auf, ſtellte ſi auf die Hinterbeine und pate ihn mit ſeinen ungemein kräftigen Armen. Kappler, welcher unſer Tier in Surinam beobachtete, beſtätigt ebenfalls, daß es Termitenbaue erbreche, und fügt hinzu, daß er im Magen auch kleine Käfer gefunden habe. Auch er bekräftigt die Wehrhaftigkeit des bedrängten Tieres und erzählt, wie übel es dem weißen Verwalter einer Pflanzung ergangen ſei. Dieſer begegnete einem Ameiſenbären und glaubte ihn mit ſeinem langen Buſchmeſſer erlegen zu können. Er ſeßte dem fliehenden nah, brate ihm aber bloß einen leichten Hieb bei, worauf das Tier ſi gegen ſeinen Verfolger wandte, ihn packte und ſo feſt hielt, daß alles Ringen vergebli<h war. Menſch und Ameiſenbär rollten zu Boden, aber der Umklammerte kam nicht frei, und erſt nah ſtundenlangem Hilferufen | kamen Leute zum Beiſtande heran, worauf das Tier ſeinen Gegner freigab und ſih davon machte. Dex Verwalter war ſo übel zugerichtet worden, daß er ſogleih ins Krankenhaus na< Paramaribo geſchafft werden mußte, wo ſeine Herſtellung ſi< monatelang hinzog.

Jn der Neuzeit ſind gefangene Ameiſenbären wiederholt nah Europa gebracht und bei zwedentſprechender Pflege auh jahrelang am Leben erhalten worden. Fh habe ſolche in den Tiergärten von London und Berlin geſehen, ohne ſie jedoch längere Zeit beobachten zu können, und will deshalb einen Bericht Nolls im Auszuge wiedergeben. Der Ameiſenbär zeichnet ſich na< Angabe dieſes Beobachters dur ruhiges und ſanftes Weſen aus, läßt ſih gern ſtreicheln und kragen und zeigt ſih bei guter Laune Bekannten gegenüber ſogar zum Spiele aufgelegt. Ganz ungefährlich iſt ſolches Spiel allerdings nicht, weil ſih das Tier unter Umſtänden auf ven Hinterbeinen aufrichtet und mittels der beweglichen Krallen der Vorderfüße hierbei mit erſtaunlicher Schnelligkeit Schläge austeilt. Große Kraft bekundet er beim Wühlen im Boden ſeines Geheges; denn mit 8 oder 4 Hieben ſeiner Krallen hat er in der harten Erdſchicht eine ſo lange und tiefe Grube hergeſtellt, daß er bequem den Kopf darin verbergen kann. Nach Nahrung ſuchend, ſcharrt er täglih wohl an 10 —20 Stellen derartige Gruben aus. Ameiſen erhält er dabei freilih niht, ſondern höchſtens einen Regenwurm, den er aber auch begierig verzehrt. Viel Beweglichkeit beſißt das Tier in ſeinen Beinen, trobdem ſein Vorwärtskommen kein raſches genannt werden kann. Die Vorderbeine werden oft zum Kraßen des Hinterrückens benußt während die Hinterbeine bis in die Mähne vorgreifen können.