Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Kugelgürteltier. Nieſengürteltier. G77

war niht im ſtande, ſi eigentlih auszuſtreŒen. Obgleich es in Gegenwart von mehreren Perſonen ganz ruhig fraß und umherlief, zog es ſih doh augenbli>li< zuſammen, ſobald man es berührte, wenn man es drüdte, ſo ſtark, daß es zur faſt vollendeten Kugel wurde. Ließ man von ihm ab, ſo ſtre>te es ſi allmählih wieder aus und ſeßte ſeine Wanderung fort. Au<h wenn man die Kugel in die flache Hand legte, mit dem Rü>ken nah unten, rollte es ſi< langſam auf und ſtre>te alle vier Beine gerade nach oben vor ſih hin, zu>te auh man<hmal mit dem Kopfe und den Vorderbeinen, machte aber ſonſt keine Anſtrengung, ſi zu befreien. Berührte man es an der Bruſt, ſo ſchnellte es die Vorderbeine hin und her; am Kopfe dagegen ließ es ſi< betaſten, ohne zu widerſtreben.

Es war ungemein zierlih und jede ſeiner Bewegungen, troß ihrer Sonderbarkeit, wirk lih anmutig. Der Gang auf den Spizen der gegen 3 cm langen, gebogenen Nägel hatte etwas höchſt Überraſchendes und verfehlte nie, die Verwunderung aller Zuſchauer zu erregen. Wenn man es frei ließ, verſuchte es ſo eilig wie möglich zu entfliehen; kam ihm aber ein Verfolger, z. B. ein Hund, auf die Ferſen, ſo rollte es ſih zur Kugel zuſammen. Wenn man dieſe Kugel auf der Erde hinkollerte, blieb ſie feſt geſ<loſſen; ſobald aber die Bewegung aufhörte, wielte das Tier ſih auf und lief davon. Die Hunde bewieſen keine größere Er: bitterung gegen die Bolita als gegen alle übrigen Gürteltiere.

%

Eine andere Gattung (Priodon) vertritt das NRieſengürteltier, welches waldige Gegenden in Braſilien und Guayana bewohnt. Der Prinz von Wied erhielt überall Nachricht von ihm, bekam es aber niemals zu Geſicht. Ex glaubt, daß es über den größten Teil von Braſilien verbreitet, ja vielleicht in ganz Südamerika zu treffen iſt. Jn den großen Urwaldungen fanden ſeine Jäger oft Höhlen oder Baue, namentlich unter den Wurzeln der alten Bäume, und man konnte von deren Weite einen S<hluß auf die Größe des Tieres ziehen. Die eingeborenen Jäger verſicherten, daß es hierin einem ſtarken Schweine gleichfomme, und die Baue und no< mehr die Shwänze, welche der Prinz bei den Botokuden fand, ſchienen dieſe Ausſage nur zu beſtätigen. Am Nio grande de Belmonte fand leßterer unter den Botokuden Sprachrohre, welche geradezu „Tatuſchwanz““ genannt wurden, von 36 cm Länge und von 8 em Durchmeſſer an der Wurzel. Azara bemerkt, daß das Rieſengürteltier ſehr ſelten in Paraguay wäre und keinen eigentlihen Namen habe. „Man findet es“ ſagt er, „bloß in den ungeheuern Wäldern des nördlichen Teiles unſeres Landes. Wenn einex von den Tagelöhnern, welche in der Gegend arbeiten, wo das Nieſengürteltier fi aufhält ſtirbt und, der Abgelegenheit von Friedhöfen wegen, an Ort und Stelle eingegraben werden muß, ſind, wie man erzählt, die ihn zur Erde beſtattenden Leute genötigt, das Grab mit ſtarken und doppelten Stämmen auszulegen, weil ſonſt der Rieſentatu den Leichnam ausgrabe und zerſtücle ſobald ex dur den Geruch an das Grab geführt werde.

„JG ſelbſt habe das Rieſengürteltier nur ein einziges Mal geſehen, und zwar zufällig. Jn einem Landhauſe erfundigte ih mi<h na< den Tieren der Umgegend und erfuhr von einem Alten, daß einige Nächte vorher die Knechte ſeines Hauſes nahe am Walde ein großes Tier entde>t hätten, vor dem ſich die Pferde entſeßten. Einer der Burſchen ſtieg ab und erkannte im Scheine des Vollinondes einen Tatu, welcher grub. Er pate ihn am Schwanze, erhob ihn, band ihm ſeine und ſeines Gefährten Wurfſchlinge um den Leib und \<leppte ihn vermittelſt dieſer nah Hauſe. Dort aber erhoben die Weiber aus Furcht ein Geſchrei und ruhten nicht eher, bis die beiden Fänger ihre Beute getötet hatten. Am folgenden Tage erſchienen dann die Nachbarn, um das merkwürdige Geſchöpf zu ſehen. Man zerſtückelte ſeinen Leib, und der eine nahm den Harniſch mit ſich, in der Abſicht, Geigen- oder Guitarrenböden daraus zu fertigen, der andere die Klauen. Nachdem ich dies gehört, verſuchte