Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

42 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde.

ſchauen mit hoch erhobenem Kopfe umher, ſichern, ſpißen das Gehör, öffnen die Nüſtern und erkennen regelmäßig zu re<ter Zeit noh die ihnen drohende Gefahr. Der Hengſt iſt der alleinige Beherrſcher der Geſellſchaft. Ex ſorgt für deren Sicherheit, duldet aber auch feine Unregelmäßigkeiten unter ſeinen Schußbefohlenen. Junge Hengſte werden von ihm vertrieben und dürfen, ſolange ſie ſi< nicht ſelbſt einige Stuten erſhmeichelt oder ertämpft haben, nux in gewiſſer Entfernung der großen Herde folgen. Sobald dieſer irgend etwas auffällt, beginnt der Hengſt zu ſ<hnauben und die Dhren raſch zu bewegen, trabt mit hochgehaltenem Kopfe einer beſtimmten Richtung zu, wiehert gellend, wenn er Gefahr merkt, und nun jagt die ganze Herde im tollſten Galopp davon. Manchmal verſchwinden die Tiere wie dur< Zauberſchlag: ſie haben ſih in irgend einer tiefen Einſenkung geborgen und warten nun ab, was da fommen ſoll. Vor Raubtieren fürchten ſich die kampfesmutigen und kampf: luſtigen Hengſte niht. Auf Wölfe gehen ſie wiehernd los und {lagen ſie mit den Vorderhufen zu Boden. Die Fabel daß ſie ſi<h mit dem Kopfe im Mittelpunkte eines Kreiſes zujſammenſtellen und beſtändig mit den Hinterhufen ausſ{<lagen ſollen, iſt längſt widerlegt

Die pferdezüchtenden Steppenbewohner fürchten die Tarpane no< mehr als die Wölfe, weil jene ihnen oft großen Schaden zufügen. Nach den von Gmelin geſammelten Nachrichten halten ſie ſi< gern in der Nähe der großen Heuſchober auf, welche von den ruſſiſchen Bauern oft in weiter Entfernung von den Ortſchaften geſtapelt werden, und „laſſen es ſi bei denſelben ſo belieben, daß zwei im ſtande ſind, einen in einer Nacht leer zu machen“. Gmelin meint, daß hieraus ihre Fettheit und kugelrunde Geſtalt ſi< leiht ertlären laſſe. „Dies aber“ fährt er fort, „iſt nicht der einzige Schade, welchen ſie anrichten. Der Tarpanhengſt iſt auf die ruſſiſchen Stuten ſehr erpiht, und wofern ex einer habhaft werden fann, ſo wird er dieſe ihm ſo erwünſchte Gelegenheit niht aus den Händen laſſen, ſondern ſie gewiß mit ſih fortſchleppen.“

Der Tarpan iſt ſ{<hwer zu zähmen: es ſcheint, als ob das Tier die Gefangenſchaft nicht ertragen könne. Sein höchſt lebendiges Weſen, ſeine Stärke und Wildheit ſpotten \ogar der Künſte der pferdekundigen Mongolen. „Joſeph Schatiloff“, bemerkt Radde noh, „Erhielt Ende der fünfziger Jahre einen lebenden Tarpan und ſandte ihn an die kaiſerliche Akademie der Wiſſenſchaften, von welcher ex wiederum von Brandt überantwortet wurde. Bei regelmäßiger Stallfütterung benahm ſi< der Taxpan ganz gut, ſolange man an ihn feine weiteren Anforderungen ſtellte, als daß ex ſein Heu täglich freſſe, war und blieb aber in allem übrigen ein tüd>iſches, launenhaftes Tier, welches ſtarrſinnig und beharrlich bei jeder Gelegenheit zu ſ{<lagen und zu beißen verſuchte und ſi< auch der ſanfteſten Behandlung unzugänglich zeigte. Da man ihn an maßgebender Stelle für ein nur verwildertes Pferd hielt, verſchenkte man ihn nah geraumer Zeit an einen Pferdeliebhaber.“ Wegen des niht unbedeutenden Schadens, welchen der Tarpan den freien Stutereien dur Wegführen der Pferde zuſügt, jagt man ihn mit Eifer und Leidenſchaft. Vor allen fahndet man auf den Hengſt, weil die Stuten, wenn jener fällt, ſich zerſprengen und dann um ſo leichter den Fägern zur Beute werden.

Vorſtehende Angaben laſſen die Abſtammungsfrage des Pferdes ungelöſt; die Auffaſſungen ſtehen ſi<h entgegen. Das Gebaren des Tarpans iſt für ſein urſprüngliches Sein nicht beweiſend, denn Pferde verwildern leiht und raſh. So lehren uns überzeugend die Herden, welche die Steppengebiete Südamerikas bevölkern. Werfen wir unter Leitung bewährter Führer zunächſt einen Bli> auf ſie.

„Die im Fahre 1535 gegründete Stadt Buenos Aires“, ſagt Azara, „wurde ſpäter verlaſſen. Die ausziehenden Einwohner gaben ſich gax niht die Mühe, ihre ſämtlichen Pferde zu ſammeln. So blieben deren 5—7 zurü> und ſich ſelbſt überlaſſen. Als im Fahre 1580