Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

696 Vierzehnte Drdnung: Beuteltiere; fünfte Familie: Raubbeutler.

Er zeigt nicht dieſelbe Gier wie die übrigen Raubbeutler. Eines ihm gegebenen Stückes Fleiſh bemächtigt er ſih mit einer gewiſſen Haſt, reißt einen Biſſen los, wirft ihn ſpringend in die Höhe, fängt ihn dann auf und verſchlingt ihn. Hat das Stü>k no<h nicht die rete Lage, ſo hilft er mit den Vorderpfoten nah. Nach vollbrahter Mahlzeit ſeßt er ſi< auf den Hinterteil, reibt {nell die Vorderpfoten gegeneinander und ſtreicht ſih damit die feuchte Shnauze rein oder pußt ſih am ganzen Leibe; denn er iſt ſehr reinlich.

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In den 183 Arten der Beutelbilhe (Phascologale) ſehen wiz fleine, mehr oder weniger den Spißmäuſen ähnliche Raubbeutler vor uns. Die Leibesgröße dieſer Tiere iſt unbedeutend, ihr Shwanz mäßig lang. Der gedrungene Leib ruht auf kurzen Beinen mit fleinen, fünfzehigen Pfoten, wel<he mit Ausnahme des hinteren, nagelloſen Daumens dur< gekrümmte, ſpißzige Krallen bewehrt ſind. Der Kopf iſt ſpiß, die Ohren und Augen ſind ziemlih groß. Jm Gebiſſe fallen die merkwürdig vergrößerten, oberen Shneidezähne auf; die \hlanken Ezähne ſind nur mäßig groß, die ſpißkegelförmigen Lückenzähne erinnern wegen ihrer Hö>ker an das Gebiß der Kerffreſſer. Außer der üblichen Anzahl von Schneidezähnen finden ſi< 1 Ezahn, meiſtens 3 Lücken- und 4 Ba>enzähne in jedem Kiefer.

Die Beutelbilche bewohnen Auſtralien und die Papuaniſchen Fnſeln, leben auf Bäumen und nähren ſi< faſt nur von Kerbtieren. Fhre Lebensweiſe und Gewohnheiten ſind no< nicht gehörig erforſht worden, und deshalb können wir ſie auh nur flüchtig betraten.

Mit der Gattung mag uns zunächſt die Tafa, wie die Eingeborenen das Tierchen nennen (Phascologale penicillata, Didelphys penicillata, Dasyurus penicillatus und tafa), bekannt machen. Jn der Größe gleicht ſie etwa unſerem Eichhörnchen; ihre Leibeslänge beträgt 24 cm und die Länge des Schwanzes 22,5 em. Der lange, weiche, wollige, nur leiht auf der Haut liegende Pelz iſ auf der Oberſeite grau, an den unteren Leibesteilen aber weiß oder gelblihweiß. Die Mitte der Stirn oder des Scheitels dunkelt, und auch die übrigen Haare haben ſchwarze Spißen; die Zehen ſind weiß. Der Schwanz iſt in dem erſten Viertel ſeiner Länge mit glatt anliegenden, denen des Körpers ähnlichen Haaren bede>t, im folgenden kürzer behaart, oben heller, unten braun gefärbt, während die End: hälfte mit langen, buſchigen, dunkeln Haaren bekleidet iſt.

Die Tafa erſcheint als ein kleines, {hmu>es, harmloſes Geſchöpf, unfähig, irgend welchen Schaden zu bringen, und deshalb geeignet, ein Liebling des Menſchen zu ſein; aber faum ein anderes Tier kann dur< ſein Weſen dem erſten Eindru>e, welchen es macht, ſo - widerſprechen wie dieſer Raubbeutler, eine der größten Plagen der Anſiedler, ein wildes, blutdürſtiges und kühnes Raubtier, welches ſih in dem Blute der von ihm getöteten Tiere förmlich berauſht und auf ſeinen Naubzügen bis in den innerſten Teil der menſchlichen Wohnungen einzudringen weiß. Jhre geringe Größe und der kleine Kopf befähigen ſie, wie ein Wieſel ſi< durch die kleinſte Öffnung zu drängen, und gelangt ſie wirkli in einen von Haustieren bewohnten Naum, ſo wütet ſie hier in kaum zu glaubender Weiſe. Gegen das zudringliche Geſchöpf ſhüßt weder Wall noh Graben oder Umplankung. Es ſtiehlt ſi dur den engſten Spalt, es klettert, ſpringt über Mauer und Hage und findet ſo überall einen Zugang, ſei es von unten oder von oben, von dieſer oder jener Seite her. Zum Glü> der Anſiedler fehlen ihm die Nagezähne unſerer Ratte, und eine gute Thür reiht aus, es abzuhalten. Aber jedermann muß bedacht ſein, Hühnerſtälle und Taubenſchläge auf das ſorgfältigſte abzuſchließen, wenn er ſein Geflügel erhalten will. Hätte die Tafa die Größe eines Zebrawolfes, aber verhältnismäßig dieſelbe Blutgier, ſie würde ganze Gegenden entvölkern und unbedingt das fürchterlichſte aller Raubtiere ſein.