Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Kulan. Dnager. 67

ſeine Befriedigung in der Regel dadur< aus, daß er die Ohren nah vorwärts bewegte. Nach allen Beobachtungen ſpriht Hay die Anſicht aus, deß dieſes Tier durchaus nicht unzähmbar ſei, wie man früher geglaubt hatte, ſich vielmehr verhältnismäßig leiht unter die Herrſchaft des Menſchen füge. Von Eingeborenen Tibets exfuhr unſer Berichterſtatter, daß man den Kulan ſoviel wie möglih zur Kreuzung mit Pferden benuße und die von ihm exzeugten Maultiere niht allein ihrer ausgezeihneten Eigenſchaften halber, ſondern auh deshalb ſehr hoh ſ<häße, weil ſie wiederum fruchtbar feien. Fn unſeren Tiergärten gehört der Kulan noh immer zu den Seltenheiten, obglei<h man ihn in den lebten 20 Fahren öfters eingeführt und er ſi< au< wiederholt, in Paris allein 16mal, fortgepflanzt hat. Ebenſo iſt ex exfolgreih mit dem Eſel, dem Quagga, Zebra und neuerdings auch mit dem Pferde getreuzt worden.

In den Sagen und Erzählungen der Kirgiſen ſpielt der Kulan eine wichtige Nolle. Eine der erſteren berichtet folgendes: Vorzeiten lebte ein Kirgiſe, Namens Karger-Bei, welcher ebenſo reih wie geizig war. Er ſtarb endlich, ohne Erben zu hinterlaſſen. Aber auch auf andere fam ni<hts von ſeinem Beſißtume, denn ſeine Herden wurden, ſeinem Volke zum warnenden Beiſpiele, verwandelt in Tiere der Wildnis: ſeine Schafe in Saiga- Antilopen, ſeine Pferde in Kulane. Seitdem bevölkern beide die Steppe.

Ein zweites, mit dem Kulane vielleiht nux eine Art bildendes Wildpferd Aſiens iſt der Onager der Alten, welcher auh in der Bibel wiederholt erwähnt wird. Xenophon traf ihn in der Nähe des Euphrats in Menge an, Strabon, Varro uud Plinius kennen ihn aus Kleinaſien, Marcellin aus dem Lande der Kurden. Nah Sclaters Vergleichungen lebender Wildpferde iſt es mehr als wahrſcheinlich, daß der in den Wüſten Fndiens hauſende Wildeſel ſih niht vom Onager unterſcheidet, und dur< Triſtram wiſſen wir, daß leßterer no< heutigestags nicht allein in Meſopotamien, ſondern ebenſo in Paläſtina lebt, auh niht allzuſelten gefangen na<h Damaskus gebracht wird. Somit würde ſich ſein Vaterland von Syrien über Arabien, Perſien und Belutſchiſtan bis Fndien erſtre>en, und zwar hier, laut Sterndale, ſüdwärts bis na<h Gudſcherat, oſtwärts aber niht über den 75. Grad öſtlicher Länge hinaus.

Der Dnagexr, in Fndien Gorkuxr, in Perſien Gaur und Kerdet oder Kerdetſcht genannt (Equus [Asinus] onager, E. und Asinus hemippus, indicus und hamar), ift merfli<h fleiner als der Dſchiggetai, aber doh höher und feiner von Gliedern als der gemeine Eſel. Der Kopf iſt verhältnismäßig noch höher und größer als beim Kulane; die dien Lippen ſind bis an den Rand mit ſteifen, borſtigen Haaren dicht bekleidet, die Ohren ziemlih lang, jedo<h kürzer als bei dem Eſel. Ein ſchönes Weiß mit ſilberartigem Glanze, die vorherrſchende Färbung, geht auf der Oberſeite des Kopfes, an den Seitenflächen des Halſes und des Rumpfes ſowie an den Hüſten in Blaßiſabell über. Am Seitenbuge zieht ſih ein weißer Streifen von Handbreite herab; ein zweiter Streifen verläuft längs des ganzen Rückens und an der Hinterſeite der Keulen; in ſeiner Mitte liegt der kaffeebraun gefärbte Riemen. Die Behaarung iſt noc ſeidenartiger und weicher als beim Pferde. Das Winterhaar kann man mit Kamelwolle vergleichen, das Sommerhaar iſt äußerſt glatt und zart. Die aufrehtſtehende Mähne beſteht aus weichen, wollartigen, etwa 10 cm langen Haaren; der Quaſt am S<hwanze wird eine gute Spanne lang.

Jn der Lebensweiſe erinnert der Onager an den Kulan. Ein Haupthengſt führt die Herden, welche aus Stuten und Füllen beiderlei Geſchlechts beſtehen; doh ſcheint es, daß die Hengſte weniger eiferſüchtig ſind als bei den verwandten Arten, wenigſtens ſollen zur Wanderzeit oft mehrere ſich vereinigen. Zu Beißereien zwiſchen den Hengſten kommt es dann freilih immer noh. Hinſichtlich der Beweglichkeit ſteht der Dnager durchaus nicht hinter

5E