Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2, str. 534
492 Vierte Ordnung: Hühnervögel; erſte Familie: Faſanvögel.
ſieht man das Birkhuhn, laut Radde, in den Vormittagsſtunden auf den Kronen der Balſampappeln \ißen, deren dünne Zweige dur< den S<hnabel ziehen und ſo die harzigen Knoſpen abſtreifen; dasſelbe thut es au< mit den Ruten der Weißbirke und anderer Laubbäume. Laut Dietrich aus dem Win>ell ſchält es die feine Rinde von Birken mit bibergleicher Geſchilichkeit ab. Körnerfutter verſ<hmäht es auh nicht: in Sibirien ſahen wir es auf der großen Landſtraße im Pferdemiſte nah unverdaueten Haferkörnern ſcharren und wühlen, und in der Gefangenſchaft gewöhnt er ſich leiht an derartige Nahrung. A. Ludwigs Beobachtungen haben dargethan, daß es die ſproſſende Saat der Felder und reifen Hafer niht ungern annimmt. Quarzkörnchen ſind au< ihm Bedürfnis.
Vom Auerhuhne unterſcheidet ſi< das Birkhuhn zu ſeinem Vorteile dur< große Geſelligkeit. Die Geſchlechter leben, jedes für ſi, in mehr oder minder zahlreihen Flügen zuſammen. Doch ſtreifen, wie Wurm anführt, Birkhähne und Birkhennen im Winter in gemiſchter Geſellſchaft nach Äſungspläßen umher, während man in den großen, oftmals wohl 200 Stü> zählenden nordiſchen Auerwildflügen keine Hennen oder höchſtens die eine und andere Gelthenne bemerkt. Auch unter den Birkhähnen gibt es aber einzelne, welche die Geſelligkeit meiden, einſam ihre Tage verleben und erſt gegen die Balzzeit hin ſi wieder bei ihresgleichen einfinden; ihrer ſind jedo<h wenige. Die Regel iſt, daß ſi die alten Hähne niemals wirkli trennen, die Hennen nur während der Brutzeit vereinzeln und beide Geſ<lechter ſih wiederum ſcharen, ſobald die Jungen das volle Kleid erlangt haben. Dann bleiben nur no< die Weibchen bei der Mutter, wogegen die Männchen ſi< älteren ihre8gleichen zugeſellen und mit dieſen fortan bis zur nächſten Balz gemeinſam und friedlich leben. Dieſe Thatſache erklärt die außerordentlich zahlreihen Shwärme der Hähne im Gegenſaße zu den ſtets ſhwachen Ketten der Hennen. Während wir in Sibirien zu Ausgang des Winters mehrmals Flüge von 200—400 Hähnen ſahen, kamen uns immer nur ſ<hwache Ketten von Hennen zu Geſichte, ſie aber häufiger als jene großartigen Verſammlungen. Das Leben des Birkhuhnes iſ übrigens ziemlich we<ſelvoll, ſhon wegen der Wanderungen, die im Winter unternommen werden. - Um dieſe Zeit haben die Vögel zuweilen auch ihre liebe Not um das tägliche Brot; bei tiefem Schneefalle z. B. müſſen auch ſie ſich ihre Nahrung oft re<t kümmerlih erwerben, und dann fann es geſchehen, daß ſie ſi lange Gänge unter dem Schnee graben, um etwas Genießbares aufzufinden. Jm Hochgebirge und im hohen Norden häufen ſie ſich, wie ſchon der alte Gesner weiß, bei ſ{<limmem Wetter zuſammen, laſſen ſi<h förmlich einſhneien und verweilen unter der ſchüßenden Schneede>e, bis das Unwetter vorüber iſt. Übrigens hat A. Ludwig auch in Thüringen beobachtet, daß Das Birkwild in ſ<hneereihen Wintern niht wie zu günſtigeren Zeiten auf Bäumen, ſondern in kleinen Geſellſchaften in einer Art Keſſel am Boden entweder auf Feldern unweit des Waldſaumes oder auf großen, mit Geſtrüpp bewachſenen Schlägen übernachtet. Unter ſolz chen Umſtänden mag es manchmal ſ{hle<t um ſeinen Tiſch beſtellt ſein. Aber die Zeiten beſſern ſich, und mit den erſten Frühlingstagen zeigt ſich die volle Lebensluſt, ja der volle Übermut unſeres Huhnes; denn noh ehe der Schnee weggeſhmolzen, beginnt die Balz.
Der Auerhahnjäger mag behaupten, daß die Balz ſeines Liebling8vogels von dem Liebesſpiele irgend eines anderen Vogels unmöglih übertroffen werden könne: der Nichtjäger wird ihm faum beiſtimmen können. Und ſelbſt unter den Weidmännern gibt es viele, die glauben, daß die Birkhahnbalz das Schönſte des Frühlings ſei. Gewiß iſt das eine: derjenige, wel<her au< nur einmal auf der Birkhahnbalz war, wird ſie niemals vergeſſen. Es trägt vieles dazu bei, den Liebesreigen des Hahnes zu einem überaus anziehenden Schauſpiele zu ſtempeln: die Örtlichkeit und die weiter vorgerüdte Jahreszeit, die Menge der Hähne, die balzen, die Abwechſelung ihrer Tänze, die Schönheit und Gewandtheit ſowie die weithin den Wald belebenden Stimmen der Tänzer und anderes mehr.