Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
48 Siebente Drdnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.
Brandung. Auf der See verbringen ſie den Winter, und das Meer bietet ihnen ſo reichliche Nahrung, daß ſie von Fett ſtroßen, ja kaum abgebalgt werden können. Man ſieht ſie beſtändig von den Wellen etwas aufnehmen und verſhlu>en, hat aber die Tierchen, die dort ihre Nahrung bilden, no< nicht zu beſtimmen vermoht. Audubon ſagt, daß ſie ſich gern auf ſ{hwimmendem Seegraſe niederlaſſen und hier eifrig beſchäftigen unzweifelhaft, um Nahrung zu ſuchen. Fedenfalls ſteht \o viel feſt, daß ſie ſi< auf dem Meere ganz wie echte Seevögel benehmen und im Schwimmen mit jedem anderen wetteifern: wie aber hier ihr Leben eigentlich verfließen mag, weiß man nicht; denn mit Ausnahme der wenigen bereits angegebenen Beobachtungen ſind wir über ihr Treiben zur See niht unterrichtet.
J<h bin mir vollkommen bewußt, daß die Ordnung der Suchvögel ſehr viele liebenswürdige und anmutige Mitglieder zählt, nehme aber doch keinen Anſtand, die Waſſertreter, insbeſondere die Ddinshenne, als die anmutigſten von allen zu erklären. Dieſe Vögel ſind überaus lieblih, anziehend in ihrem Weſen und Betragen, gewandt in jeder Bewegung, begabt wie nur irgend ein anderes Mitglied ihrer Zunft auf dem feſten Lande wie im Riede, auf dem Waſſer wie in der Luft zu Hauſe. Jhr Gang ähnelt dem der Strandläufer. Sie ſtehen mit etwas eingezogenem Halſe ruhig am Ufer, laufen, wenn ſie in Bewegung gekommen, trippelnd dahin, vermögen jedo< ihren Lauf zum Rennen zu beſhleunigen und wiſſen ſi< mit größtem Geſchi> im Riede zu bewegen, auch trefflih zu verbergen. Fhr raſcher, unſteter Flug beſchreibt viele Bogen, wie es ſcheint, mehr um der Laune als um einem Bedürfniſſe zu genügen; ſie erinnern fliegend jedo<h weniger an Strandläufer als vielmehr an die Moorſchnepfe und unterſcheiden ſi<h von dieſer nur dadur, daß ſie den Hals ſehr einziehen und infolgedeſſen vorn wie abgeſtußt ausſehen. Ihr kleiner Kopf und der feine Schnabel fallen ebenfalls ſo auf, daß man ſie kaum verwehſeln kann. Fm Schwimmen bethätigen ſie Leichtigkeit, Zierlichkeit und Anmut, die unwiderſtehlih hinreißen. Sie liegen leichter als jeder andere mir bekannte Shwimmvogel auf dem Waſſer, ſo daß ſie deſſen Oberfläche kaum zu berühren ſ{heinen, tragen dabei das Gefieder knapp, bewegen ſi kräftig, unter furzen Stößen und mit beiden Beinen abwechſelnd rudernd, ni>end wie ein Rohrhühnchen, und dur<hmeſſen in kurzer Zeit verhältnismäßig bedeutende Stre>en. Zu tauchen vermögen ſie niht; ihr Gefieder iſt zu rei, als daß es ihrer Kraft möglich wäre, den für ſeine Größe zu leichten Leib unter die Oberfläche zu zwingen: ſelbſt verwundete verſuchen niht, in der Tiefe ſi zu verbergen, ſondern {hwimmen ſo eilig wie möglih dem Riede zu, um hier ſi<h den Blicken zu entziehen. Vom Waſſer erheben ſie ſi< ohne weiteres in die Luft, und ebenſo fallen ſie aus der Höhe unmittelbar auf deſſen Spiegel herab. Schwimmend verrichten ſie alle Geſchäfte, nehmen von der Oberfläche des Waſſers Nahrung auf, jagen ſi< ſpielend hier umher und begatten ſich ſogar in dieſer Stellung. Dabei gilt es ihnen vollflommen glei<h, ob das Waſſer ruhig wie ein Spiegel oder bewegt, ob es kalt oder warm iſt: Faber ſah ſie auf den Teichen der heißen Quellen, in deren Waſſer man kaum die Hand halten kann, mit demſelben Gleichmute wie zwiſchen Eisſchollen umherſ<hwimmen. Fhr Lo>ton ähnelt dem kleinerer Strandläuſer, läßt ſih aber ſ{hwer mit Buchſtaben ausdrücken, weil die [neien Töne ungewöhnli<h hoch liegen.
Jhre Sinne ſind ſcharf, ihre geiſtigen Fähigkeiten wohl entwidelt. Harmlos und vertrauend, wie wenige andere Strandvögel, erlauben ſie dem Menſchen eine Annäherung bis auf 10 Schritt, und wenn er ſie niht behelligt, laſſen ſie ſi< minutenlang beobachten, ohne ſi< dem Auge zu entziehen; aber jeder Verſuch einer Verfolgung macht ſie vorſichtig und ein einziger Fehlſhuß ſehr heu. Um andere Geſchöpfe ſcheinen ſie ſi<h, während dex Brutzeit wenigſtens, niht zu bekümmern, leben vielmehr nur ſich ſelbſt; die Liebe