Charakterologie

12 Begriff und Wejen des Charakters

Schopenhauer‘): „Die jpezielle und individuelle Bejchaffenheit des Willens, vermöge deren jeine Reaktion auf diejelben Motive in jedem Menjchen eine andere ijt, macht das aus, was man dejjen Charakter nennt... ., er liegt allen Wirkungen, welche die Motive hervorrufen, jo zu Grund, wie die allgemeinen Naturfräfte den durch Urfachen im engjten Sinn hervorgerufenen Wirkungen und die Lebensfräfte den Lebenswirfungen der Reize. Und wie die Naturfräfte, jo ijt auch er urjprünglich, unveränderlich, unerflärlih.” (Wichtig daran: Betonung des Willensmomentes, Betonung der JIrrationalität des Charakters, der tiefer liegt als die pjyhiihen Mechanismen, die ihn bereits vorausjeßen.)

£. Klages?) jcheidet drei Bedeutungen von „Charakter“. Die engite jtellt den Charakter allen Begabungseigenjhaften gegenüber (f. jpäter Mc. Dougall!). Die zweite, weitere Bedeutung ijt etwa mit „Perjönlichkeit” gleichzujegen. Dies ijt die im wejentlihen von Klages übernommene Bedeutung. — Die dritte, weitejte Bedeutung meint das „Charatterijtiihe” an irgend etwas und Tann dann aud für lebloje Dinge gelten.

Paul Häberlin?): „Charatter ijt nicht etwas neben der Perjonalität, jondern ijt fie felbjt, fo wie fie im Einzelfall auftritt” (S.47). „Charakter gleich bejonderte Perfonalität.“ Und wir erfahren ihn als „die geeinte Gejamtheit der Reaftionsmöglichfeiten oder aljo der Qualität einer Perjon." (Zu Häberlin vgl. S. 266f.)

6.Kerjchenjteiner*) unterjtreicht als Pädagoge die Grundjäße und Marimen im Charakter. „Wir meinen darunter jene beharrliche Derfajjung der Seele, wonad jeder Willensaft dur dauernd in ihr aufgerichtete Grundfäße oder Marimen eindeutig bejtimmt ijt” (S. 4).

Eine gefährliche Definition. Bismard jagte: „Ein Mann mit Grundjäßen ijt ein Mann, der mit einer langen Stange durch den Wald geht." — Nicht die Grundjäße oder Marimen find es, die das Wejen eines Charakters ausmadıen. Denn da fie notwendig inhaltlich jchon bejtimmt find, engen fie die freie Schöpfertätigteit des Ich ein. Die Rihtungen von innen ber, nicht bejtimmte Marjchrouten in der Außenwelt werden im fejten Charakter ausgebildet. Die Marjchrouten, die realer Pläne wechjeln vielmehr gerade beim großen Charafter jtändig. Ja, man Tann jfogar den Begriff der Konjequenz ausjchliegen als Merfmal des deutlihen Charakters — dann wenigjtens, wenn man damit, dem allgemeinen Spracdhgebraud; folgend, die Bindung an gejchehene Taten meint und nicht die Bindung an die innere Einheit und Harmonie der Richtungen, die allerdings unablöslich zum Charakter gehört. In einem gewiljen Sinne fann man jogar Infonjequenz als Bedingung des typiich Charafterlichen aufitellen. Mommjen jagt in jeiner römifchen Gejchichte von Philipp V. (von Makedonien): „... und die Infon= fequenz, die den Menjchen allein erträglich madıt, fand nicht Raum in feinem

1) Preisjchrift über die Sreiheit des Willens, Sämtlihe Werte, Ausg. Reclam, BD. 3. 2) Grundlagen der Charafterfunde. 5. u. 6. Aufl. Leipzig 1928.

3) Der Eharafter. Bajel 1925, S. 39.

4) Eharafterbegriff und Charaftererziehung. 4. Aufl. Leipzig 1929.