Charakterologie

Eduard Spranger: „Lebensformen“ 59

Nuten des Lebens), jeine tiefe Wahrheitserfajlung, die Schönheit feines ganzen Lebens — nichts von diejen Prädifaten fan weggedadht werden, und alles muß in jehr hohem Maße vorhanden fein. Darum Tann die Tatjache, dak das Heilige obenan jteht, nicht als Anja einer inhaltlichen Rangordnung angejehen werden. Und auf der anderen Seite find die niedrigeren Werte dadurd; niedrige, daß fie auf geringer Stufe der Der= wirflihung fejtgehalten werden. Wenn wir unter Genuß die unterjte Stufe des Genuffes verjtehen, jo ijt das natürlid) ein geringer Wert. Schließt man aber nicht aus, daß fich diefer Wert zu feiner höcdhjiten Sorm bringt, jo fommt man wieder auf die tiefiten Genüjje, die zu derjenigen „Selig= feit” führen, die wiederum nur in einer Derwirflihung aller Werte auf hödhjiter Stufe erreicht werden Tann. (In der Gejchichte der Ethik ijt Epifurs Tendenz auf den Genuß hin das berühmte Beifpiel für das dialeftijche Umfchlagen der Werte. Die Epifuräer famen in Derfolg diejer Tendenz zu einer Auffajjung, die der Abjage an den Genuß (Stoa) jehr nahe am.) So taugt aljo weder der oberite noch der unterjte Anja der Werttangordnung dazu, die Kantiiche Theje zu widerlegen. Es zeigt jic vielmehr gerade in charakterologiicher Betrachtung, da es eine inhaltliche Rangorönung nicht geben Tann.

Noch in einer anderen Hinfiht ijt die Wertorönung untauglih, Cha= tafterlihes zu bezeichnen. Sie führt nämlich, fonjequent durchgeführt, zu einer gefährlihen Entleerung des Aft-Begriffes.

£indworsty, der fi) mit der Bedeutung des Wertmoments für die Charafter-Erziehung befonders eingehend bejchäftigt hat, jieht Charafterunterfhiede an als Unterjchiede der Wertrichtungen bzw. der Wertrangorönungen, nad) denen fich dieje Wertrichtungen aufbauen jollen. Es ijt nun interejjant, zu jehen, wie ihn dies zwingend dahin führt, jo etwas wie „Kraft“ des Willens überhaupt anzuzweifeln (worin er übrigens weitgehend mit Scheler übereinjtimmte). — Der Alfoholifer 3. B. unter: icheidet fi dann von demjenigen, der die Trunfjudyt bezwingt, dadurch), dab bei ihm der Alkohol einen höheren Wertrang einnimmt als der Wert georöneten Lebens und der Wert der Anerkennung der Mitmenjchen. Man fühlt deutlich, daß hier eine merfwürdige „Entleerung“ des jeelijchen Kraftbegrifis einjeßt. Alles Dynamifche hört auf. Unterjchiede der Willensfraft werden auf jtatifche Unterjchiede der Wert-Stellen in der Rangordnung projiziert. Es erwedt den Anjcein, als ob es nur einer gewiljen Steuerverjchiebung bedürfe, und der Alkoholiker „liefe ein anderes Wertziel an“. Lindworsty fordert darum aud) für die Charaftererziehung zuerjt die Ergründung der Rangorönungen der Zöglinge, dann die Kor-