Das Nordlicht. Bd. 1-2

von mir erlebte ich nur spärlich: zwei italienische Schulaufsätze fielen allerdings meinen Hauslehrern als sehr erstaunlich auf: mein Wesen haben aber auch sie nicht begriffen.

Eines Tages, bei Bora, erschloß sich mir plötzlich folgender Sinn: selbstbeschloßner Zwiespalt! Die Menschen nennen vieles Sünde: ich, der kecke Atheist, in der Pubertätszeit, der bei Mondschein über den Karst dahinbrauste, wollte das Böse bloß als Schatten des Hochseligen erfaßt haben.

Einmal auf einem Maskenball (ich selbst trug die Larve) sagte ich mir: das Leben ist nicht bloß gewollte Askese oder Zwang, Pflicht der Sonne gegenüber, damit wir uns zum Hochgestirn emporranken können, und die Erde nicht bloß Feindin, bestenfalls Vagina und Grab. Als Wirksamkeit ging mir auf: das Leben verlangt Fülle, die Geschöpfe dürfen göttlich emporjubeln. Ich lief aus dem Saal, auf die Straße. Ich fühlte glücklich, die Erde birgt in sich noch viel Sonne, die mit uns, gegen die Schwere verbunden, selbst wieder zur Sonne zurück will. Überall. Sogar im Eis. Gerade dort, an den Polen, wo die Nacht am tiefsten, am längsten, besonders mächtig! Eine leuchtende Umschlingung von erlöster Sonne aus der Erde und himmlischer Sonne bringt den monatelangen Nächten um die Pole das Polarlicht. Die Erde sehnt sich, wieder ein leuchtender Stern zu werden. Meine Privatkosmogonie hatte ihre Ergänzung erhalten!

Diese Idee von der Nordkrone ließ mich nicht mehr los. Schnell wußte ich, daß sie eigentlich in uns Wunsch, Freude, Glück, Vertrauen sein konnte. Der Grund dazu lag für mich, ich sahs geradezu, in der Erde. Vielleicht in einern feuerflüssigen noch sonnenähnlicheren Innern! Das Lichterziel, die leuchtenden Kränze um die Pole wurden mir zum Sinnbild von Geschichte aus innerstem Geschehen. Ich erlebte einen Nordschein der Seele; was da vorging,

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