Das Nordlicht. Bd. 1-2
finden, erraffen kann. »Sahara« nannte ich den zweiten Teil. Es bedeutet der Wüste Einsamkeit, aus der das Ich sich rein verstrahlen darf; wo es eigentlich schöpferisch wird und sein Dasein umzugebären beginnt! Das nunmehr spendende Ich konnte sich mir zuerst nur zwischen stürzenden, versinkenden Formen erhellen. Die SaharaErfahrungen gaben, wie bereits gesagt, einem Volk die Sehnsucht ein, dem Einsturztrichter entgegen, eine wirkliche Pyramide aufzubauen: das Ich, von dem ich mich nunmehr abhängig fühlte, war hingegen ganz von der Sehnsucht erfaßt, die Pyramide im Geiste aufzubauen. Höher als den Turm zu Babel: den in der Seele geschauten Ararat der Völker. Folgende Aufrufung des Nordscheins, über dem ewigen Eis, gibt am besten den Grundgedanken zu dieser Bergauftürmung in der Seele wieder:
„Du furehtbar großes Blutgespenst! Erwidre ich im Geiste:
Die Erde wurde mir im Traum zum Araratkristalle;
Als Pyramide sah ich schon den Ball, den ich bereiste! Zur Spitze ward der Pol: zum Zweck, zu dem ich walle.“
Der erloschne Vulkan trägt noch eine Krönung kalten Lichts: den Nordschein! »Die Erde ist trächtig! « heißt es zu Anfang des Epos. Angedeutet wird, daß sie schon in Wehen liegt. Keinen neuen Mond wird sie nunmehr gebären: Erdbeben, Vulkanausbrüche zeigen aber die Geburt eines neuen, des künftigen Festlandes an, und zwar diesmal im Stillen Ozean. Aber auch die tiefste Mondidee, die Verheißung unsrer Erdmitte, kann von Indern in den Brunnen der Seele geschaut werden: sie führt zum Geist.
Früher waren Erde und Mond vereint: der uns Erdenkindern noch sichtbare Mond ist aber der Spiegel der Erde. Durch Prophezeiung Wissender erhält sie Botschaft über ihre eigne Seele, aber nur im Mondspiegel erkennt sie ihre kosmische Wesensart. Das silberne Gestirn gibt kund, was das Sichverstrahlen der Erde in andern Welten ver-
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