Die Klassengegensätze von 1789 : zum hundertjährigen Gedenktag der grossen Revolution

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deſſen augenbli>liche Finanzen, ſondern auh deſſen Kredit rein auszuplündern. Eine Anleihe folgte der andern; während der drei Jahre, die er Miniſter war, pumpte er für den Staatsſchaß 650 Millionen Livres (die genaue Darlegung bei Louis Blanc, I., 233), eine für die damaligen Verhältniſſe ungeheure Summe. Und faſt alles davon ſa>te der Hof ein, der König, die Königin und ihre Günſtlinge. „Als ih ſah, daß Alles ſeine Hand hinſtre>te, hielt au< i< meinen Hut unter“, ſagte ein Prinz, der den damaligen Freudenrauſh erzählt. Jn der That, der Hof ſ<wamm in Wonne, keine Stimme erhob ſich, die warnend gezeigt hätte, wohin ſol<h wahnſinniges Treiben führen müſſe; Ludwig XVI. ſelbſt bezeigte ſeine außerordentliche Zufriedenheit mit dem Finanzminiſter, der ſeine Thätigkeit bezeichnenderweiſe damit begonnen, daß ex ſih vom König ſeine Schulden im Betrag von 230 000 Livres bezahlen ließ. Alles bei Hofe wunderte ſih darüber, wie leicht und raſh es dem großen Mann gelungen, die ſoziale Frage zu löſen. *)

Das wahnwitige Treiben des Hofes hatte natürlih den Erfolg, den Zuſammenbruch des ganzen Syſtems zu beſchleunigen. Nach drei. Jahren toller Wirthſchaft war Calonne mit ſeinem Wit zu Ende; das jährliche Defizit war auf 140 Millionen Livres geſtiegen, und ſelbſt- Calonne ſah ſih zu dem Geſtändniß gez zwungen, daß den unmittelbar drohenden Bankerott keine Anleihe mehr hinausſchieben könne, fondern nur eine Erhöhung der Einnahmen und Verminderung der Ausgaben des Staates, was Beides nux mögli<h war auf Koſten der Privilegirten. Aus dem Volk ließ ſih ni<hts mehr heraus\ſcinden.

Als Calonne das den Notabeln mittheilte, die er einberufen (Februar 1787), antwortete ihm ein Wuthgeheul aus den Reihen der Privilegirten, ein Wuthgeheul, nicht über die Schamloſigkeit, mit der Calonne bisher gewirthſchaftet, ſondern darüber, daß dieſe ſchamloſe Wirthſchaft jekt ein Ende nehmen ſolle, weil eine Fortſeßung unmöglih geworden. Calonne fiel, als aber ſeine Nachfolger die Politik der Vermehrung der Auflagen auf die Privilegirten fortſeßzen mußten, ſo daß dieſe zur Ueberzeugung gelangten, das Königthum ſei niht mehr im Stande, ihuen die

*) Als die erſte Anleihe, die Calonne auflegte, in Folge ſeiner ſhwindelhaften Vérſprechungen überzeichnet wurde, meinte em hoher Herr: „Jh wußte ja wohl, daß Calonne den Staat retten werde, aber nie hätte ich gedacht, daß ihm das ſo geſ<hwind gelingen würde“.