Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

64 TT. Dex Kampf gegen Napoleon.

Aufzeichnungen geradezu revolutionärer Jdeen beſchuldigt, tiefes Mißtrauen faßte. Von ſeiner Umgebung, in der ſich Preußens ehemaliger Miniſter Freiherr vom Stein befand, unabläſſig angetrieben, gedachte der Zar je eher je lieber in Paris einzuziehen. Die Entſcheidung über den künftigen Herrſcher Frankreichs wollte er zuerſt dem Volte überlaſſen, was den öſterreichiſchen Miniſter in niht geringen Schrecken verſezte. Später verriet Alexander die Abſicht, Bernadotte zum Nachfolger Napoleons zu machen. All’ dies feſtigte Metterni nur in ſeinem Vorſage, den Krieg ſchnell zu beendigen und dem Korſen womögli<h die Krone von Frankreich zu erhalten. Schwarzenberg empfing bereits am Beginne des Jahres 1814 die Order, „flug, das heißt langſam“ vorwärts zu gehen; nahher wurde ihm nahegelegt, überhaupt innezuhalten. Metternich zog den engliſchen Miniſter Caſtlereagh, der im Lager der Verbündeten erſchien, geſchi>t auf ſeine Seite; ebenſo gewann er den preußiſchen Staat3=kanzler Hardenberg für ſeine Pläne. Jn einer Miniſterkonferenz zu Langres wurde auch Ende Januar der Beſchluß gefaßt, daß Bevoll= mächtigte der vier alliierten Mächte in Chatillon erſcheinen mögen, um dort mit dem Vertrauensmanne Napoleons, mit Caulaincourt, zu v&chandeln. Aber deshalb ſollte die rauhe Stimme des Kriegs nicht ſchweigen.

Wie ſo viele ähnliche Veranſtaltungen iſ der Kongreß in Chatillon reſultatlos verlaufen. Die Ausſichten für den Frieden beſſerten ſich oder ſanken, je nachdem, ob Napoleon auf dem Schlachtfelde Niederlagen erlitt oder Erfolge verzeichnete. Einmal hatte er — es war nach der Schlacht bei La Rothière — ſeinem diplomatiſchen Vertreter freie Hand gelaſſen. Doch Caulaincourt wurde durch die große Verantwortung, die auf ihn fiel, beängſtigt und erbat ſih genauere Weiſungen. Da brachte es der franzöſiſche Staatsmann Maret wirk= lich dahin, daß der Kaiſer ſeine „Erniedrigung diktierte“. Am nächſten Morgen ſollte er das Schriftſtück unterzeichnen. Als Maret vor dem Korſen erſchien, fand er ihn beim Studium der Landkarte. „Es handelt ſich jezt um ganz andere Dinge,“ rief ihm Napoleon zu. „Jh bin ſoeben daran, Blücher zu ſchlagen 1), Kein Wunder, daß der Zar ungeduldig wurde und ſeinen Abgeſandten den Kongreßſaal verlaſſen hieß. Er war von der Begierde durhglüht, in Paris raſh als Triumphator einzuziehen. Am 19. März erfolgte die Auflöſung des Kongreſſes zu Chatillon, und die Jdylle inmitten des Krieges war vorüber. .

1 1) Auguſt Fournier. Napoleon 1. Wien 1906. 3. Band.