Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance
und die Akademien seit den Anfängen der Renaissance und des Humanismus, die sogenannten Sprachgesellschaften des I7. Jahrhunderts, das Rosenkreuzertum und seine alchemistische Vorgeschichte, Comenius und gewisse Ordensgesellshhaften der Barockzeit. Der Zusammenhangder offiziellen englischen Freimaurerei mit allen diesen und ähnlichen Erscheinungen eines meist außerkirchlihen oder doch inoffiziellen Gemeinschaftslebens, — das nach Kellers Meinung nicht selten seine eigentlichsten Zwecke hinter den verschiedensten Masken und Vorwänden verbarg, schließlich auch oft ganz vergaß, das aber seine innere Verbindung schon durch die auffällige Gleihförmigkeit derselben Sinnbilder und Riten verrät, — dieser Zusammenhang bildet eines der schwierigsten mit rein induktiven Methoden vielleicht gar nicht ganz zu lösenden Probleme. Uns interessieren hier nur die Fragen, ob wirklich gewisse Gesellschaften der italienischen Renaissance zwischen I480 und I5IO etwa in den angedeuteten Umkreis gehören, und ob sie als solche Einfluß auf die Aufgaben und Inhalte der Kunst gewonnen haben.
Ohne irgend eine gültigeKlassifikation aufstellen zu wollen, die angesichts desoffenbarenVerfließensaller Grenzen grundverkehrtsein würde, sollen hier zurÜbersihtdreiGruppen vonGemeinschaftenuntershieden werden, die unter Umständen für unsere Untersuchung in Betracht kommen könnten.
Zunächst diesogen.„chymischen Gesellschaften” (alchemistischenGeheimbünde). Im voraus muß mit Nachdruck betont werden, daß es sich hier nicht eigentlich nur um Verbände von praktischen „Goldmacern” handelt, sondern um religiös-gnostische Orden, die in manchen Fällen vielleiht gar nicht organisiert waren, sondern nur für Gleichgesinnte als der lebendige Mythos einer unsichtbaren Gemeinschaft, eine „famafraternitatis”,bestanden. Man weiß heute besser, daß die Alchemie erst in zweiter Linie eine Praktik, in erster eine moralisch-magische Naturansicht war.'®) In seinen „Problemen der Mystik und ihrer Symbolik” hat der Wiener psycho-analytische Forscher Herbert Silberer hier wohl am tiefsten gesehen. Chymische Gesellschaften und gnostisch-alchemistische Geheimlehren werden im allgemeinen erst mit dem Aufkommen des sogenannten Rosenkreuzertums, also seit Valentin Andreae und seiner „fama fraternitatis”, zu Beginn des 17. Jahrhunderts zur
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