Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

offenkundigen Erscheinung. Hier finden wir ein umfängliches Spekulieren über die drei typischen Einweihungsstufen des’audire, perserverare,nosse etscire,')was dem alchemistischen Prozeß, der Dreiteiligkeit des Menschen als Leib, Seele und Geist (Sal, Sulphur, Mercurius in der Alchemie) und vielen anderen Dreistufenlehren entspricht. Hierfinden wir auch einen umfangreichen Symbol- und Lehrzeichenapparat, der einerseits auf die astrologisch-alchemistischen Systeme des Mittelalters und der Renaissance, anderseits auf das Bauhüttenwesen zurücweist, hinter dem allerlei Sektierertum sich verborgen zu haben scheint. Beides, die Dreistufung und die Symbolik, hat sich ja bis heute in den Freimaurerlogen erhalten. Tatsächlich lassen sich aber auch schon für das spätere Mittelalter und die Renaissancezeit eigentliche Gesellschaften mit ähnlichem logenartigen Ritual und Symbolwesen nachweisen, die schon auf eine lange Überlieferung zurückblickten. Die Mitglieder solcher Gesellschaften nannten sich „Philosophen”, ihre Aufgabe war — in einem magischen Parallelismus innerer Versenkungsübungen und äußerer „chemischer” Operationen — die Bereitung des „philosophischen Steins”,durch den die VeredelungderElementeaufihren ursprünglichen vollkommenen Zustand, auf die „primamateria” bewirkt wird. © (sol) das große Werk bedeutet das höchste Ziel: „Gold”.c (luna) das kleine Werk gilt dem zweitedelsten Metall: „Silber”. Die Gesellschaften verehrten denheiligen Johannes als Schutzpatron, denselben, der uns auch in den Steinmetz- und Malergilden des 14. und 15. Jahrhunderts, in den Akademien und noch in den Freimaurerlogen begegnet. Von geheimen Versammlungen der Mitglieder bei Höhlen (Schmelzhütten, Bergwerken?) ist schon bei den Anhängern desRaimundusLullus und später beiRobert Fiudd die Rede. IhreDialoge, oft Dreigespräche, erscheinen schon bei Avicenna und später als eine typischeV orstellung desalchemistischenMythos.SeitdemI3.Jahrhundertbildet sich dieV orstellung von der „turba philosophorum” (disputierender Konvent) aus; auch der noch zu nennende Graf Bernhard von Treviso beruft sich auf das von dem Mitglied einer solchen „turba” (Parmenides) Gesagte. Hauptautoritäten der alchemistischen „hermetischen” Bünde waren der sagenhafte HermesTrismegistos, dem die berühmte ,Smaragdtafel” zugeschrieben wurde,

18