Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

erdige untersteht dem Saturn, dem alten Gott der Saaten und der Erdentiefe. Aber ihm gehört, als dem kalten und trockenen Planeten, auch der Verstand und die in der Erde vorhandene Konzentrations- und Schaffenskraft zwingt den erdengenaturierten Geist des Melancolikers, sich nach innen zu sammeln. Vorwärts senkend den Blick und den Grund mit dem Auge durchbohrend: so kennzeichnet Agrippa den saturnischen Melancholiker .... Saturn gibt den Samen der Tiefe und stille Betrachtung, die verborgenen Schätze und alles. was durch lange Reisen — daher wohl das Meer auf Dürers Blatt — und viele Mühe erworben wird.” Höchst auffallend wird nun eine gewisse Verwandtschaft in Haltung und Tun der Frauengestalt von Dürers „Melancholie”’") und des Jünglings in Giorgiones”°) „Drei Philosophen”. „Vorwärts senkend den Blick und den Grund mit den Augen durchbohrend”: läßt sich der einsiedlerisch für sich abgesonderte, sitzende junge Philosoph eigentlich besser charakterisieren ? Ist es Saturn, der ihm in der Höhle den Samen der Tiefe und verborgenen Schätze weist und alles, was durch viele Mühe erworben wird? Wahrscheinlich wollte Giorgione uns sagen, daß der dem Alter nach als Vertreter der jüngsten, ersten Stufe gekennzeichnete Philosoph dem Saturnus und seiner Komplexion zugeordnet sei, weil er die irdische Stufe repräsentiert (theologisch: die virtutes intellectuales), die Konzentration aufs Irdische, den Verstand und die „emsige Bewegung der Erfarnus” (wie es in der deutschen Übersetzung des Fieinus heißt), Geo-Metrie und Geo-Logie. Die Werkzeuge in seiner Hand, vor allem der Zirkel, sind nicht nur bei Dürer, sondern ganz allgemein die zugehörigen Attribute des Melancholikers, wie uns Saxl schlagend an vielen Beispielennachweist.Ganzbesonders gehörenaber auch diehermetischen „Philosophen”, die Alchemisten, dem Saturn und man sieht auch sie nicht selten mit Winkelmaß und Zirkel abgebildet.°°) Endlich ist auch die Höhle oft dem Saturn zugeordnet: Schatzgräber und „Eremiten”, Meditierende in der „Saturnhöhle” haben Panofsky-Saxl in dem von ihnen genauer untersuchten astrologischen Bilderzyklus des Salone zu Padua nachgewiesen, den Giorgione natürlich gekannt hat und der für die ganze astrologische Bildtradition besonders in Oberitalien wichtig werden mußte. Daß sich gerade

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