Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

Giorgione zur Saturn-Psychologie im Sinne Ficins hingezogen fühlen mußte, hat vielleicht seinen Grund in seiner eigenen „Complexion”, die man auf GrunddesBraunschweigerSelbstbildnissesallerdingsalssaturnish-melanholisch beurteilen möchte-mag auchVenus freundlich dreingeblickt haben.:°A) Die beiden anderen Philosophen des Wiener Bildes zeigen nun, wie die niedere Melancholie, durch die feste Meditation und Konzentration des ersten Grades überwunden, im zweiten und dritten Grade höheren Bewußtseinsstufen Platz macht, in denen der Mensch — astro-psychologisch ausgedrückt — auch Einwirkungen anderer glüclicherer Planeten offen steht. Daß Giorgione auch diese Stufen noch als solche der saturnischen Melancholie zugeordnet wissen will, die hier gereinigt und durch andere Einflüsse kompensiert wäre, daß alle drei Weisen als Saturnier verstanden werden sollen — wir es also gleichsam mit einer Melandholial, I, M zutun hätten?”)kann nur vermutet werden. Literarische Belege für eine regelrechte Dreigliedrigkeit der saturnischen Entwicklung fehlen uns noch; aber es ist sehr wohl möglich, daß auch hier die astrologische Komplexionenlehredes Ficinusin die Dreistufen-Theorien Picoshineinspielt. Nach heutigen Analogien ist es kaum auffallend, daß sich in den Händen des zweiten Mannes, des orientalischen Philosophen, kein Attribut befindet. Er erscheint, in hermetischer Redeweise ausgedrückt, nicht „auditiv”, sondern „perseverativ”, als der Tätigste, Aktivste, als der Weltzugewandte, darum in glänzender Tracht. Reichtum und Macht sind feststehende Eigenschaften des Saturn-Melancholikers! Theologisch würden dieser Stufe etwa die virtutes morales entsprechen, die den virtutes intellectuales folgen. Immerhin entbehrt der Philosoph wohl nicht ganz der symbolischen Kennzeichnung. Ob der Beutelunterhalb des Gürtels Bedeutung hat — „der Beutel bedeutet Reichtum”, vermerkte Dürer bei einer Vorstudie der Melancholie -, ob insbesondere jene Handhaltung in Wahrheit rituell zu verstehen ist, mag dahingestellt sein. Vorsicht ist bei solchen Deutungen angebracht; zu leicht führt die einmal gefundene Erklärung dazu, überall Winke und Hinweise auf dasselbe herauslesen zu wollen. Darum sei auh der Brustschmuck, welchen der Morgenländer trägt, nur mit Vorbehalt einer Aus-

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