Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

legung unterworfen. In späteren Jahrhunderten hatten die Mitglieder der verschiedenen Ordensgesellschaften solche Abzeichen in sinnbildlichen Formen als Halsketten über der Brust; Bassermann-Jordan“°) bildet eine Reihe freimaurerischer und rosenkreuzerischer Ordensshmuczeichen ab, und er weist für die Renaissanceperiode zum wenigsten das Vorhandensein von SchmucstückenmitastrologischenMotivennach.AnalysierenwirdenShmuk des Morgenländers, so kann eineSymbolik, wenn es sich nicht überhaupt um willkürliche Formen handelt, im Sinne jener alchemistischen „Kunst”sprache gefunden werden, die im späten Mittelalter Nikolaus Flamel aufgezeichnet haben soll. Oder ist eine freie Stilisierung des Senkblei-Symbols gemeint ? —

Endlich der dritte, der Greis, Vertreter des „nosse et scire”, höchster Eingeweihter, entsprechend dem „Geiste” (alchemistischer Mercurius) und den „virtutes theologicales”. Der Zirkel wäre wiederum ein „saturnisches” Attribut und derEmpfang höchsten Wissens kann nurdem Melandolikergewährt sein. Sind doch, nach Ficinus, besonders die „studiosi” und dann wieder die „senes“ dem Saturn untertan. Die Zeichen und Zahlen auf dem enthüllten „Pergament” dieses „Vates” oder „Pontifex Maximus” mögen übermalt und ergänzt, vielleicht auch vom Künstler selber nur flüchtig angedeutet sein. (Man bedenke auch, daß Sebastiano del Piombo, nach Michiels Angaben, das Bild vollendet haben soll!) Immerhin haben sie einen — im 17. Jahrhundert würde man gesagt haben „rosenkreuzerishen” — Sinn, waren aber im 15. Jahrhundert schon durch das sogenannte Figurenwerk des Nikolaus Flamel wohlbekannt. Am erkennbarsten ist der Mond (= Silber), das eine Hauptlicht der Alchemie; vielleicht ist der kleinere Kreis zur linken als Sol = Gold), das andere Hauptlicht, anzusprechen. Das zacige, kreisförmige Schild, das unten noch zum Teil sichtbar ist, könnte als Teil einer Kompaßrose zu deuten sein — ein beliebtes Symbol -; wer darin den Teil einer Blume erkennen will, sei daran erinnert, daß die Margarete (Margarita) sowohl in der theologischen wie in der alchemistischen Symbolik der Zeit eine Rolle spielt. Auch das flüchtig angedeutete Andreaskreuz hat im Gegensatz zu dem länglihen Rectek [I (irdischer Tempel) die sinnbildliche Bedeutung des „himmlischen Tempels”. Das Ganze ist eine chymische

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