Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

scheint — die Moseslegende, die Salomo-Erzählungen, David, Judith u. a.-, daß er sich selbst einmal als David porträtiert hat, entspricht nur dem Bilde, welches wir uns von Giorgiones religiöser Innenwelt machen: Alle irgendwie gnostisch, „johanneisch” gefärbten Kultgemeinschaften haben von jeher zum vorchristlihen altjüdischen Mythos ihre besonderen Verbindungen gehabt. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts drang ja auch die jüdische Geheimwissenschaft der Kabbala auf verschiedensten Kanälen in das humanistisch naturphilosophishe Denken ein. Juden selber — man denke an Leone Ebreos „Dialoghi d’Amore” — hatten mit ihren mystisch schwülen Philosophemen einen großen Modeerfolg. Die höchst auffallende, ja wohl einzigartige Tatsache, daß sich der Künstler selber in Halbfigur als David‘) dargestellt hat mit dem abgeschlagenen Haupte des Goliath vor sich auf der Brüstung, auch daß er Judith mit dem abgeschlagenen Haupt, daß er am Fondaco auch einen Mann mit abgeschlagenem Löwenkopf, sowie eine judithartige Gestalt schuf, das alles könnte auf einen Generalnenner gebracht werden: handelt es sich doch immer um Gestalten, die zu Sinnbildern der Überwindung roher Stoffnatur („den in uns hockenden Löwen” sagt Pico) durch das höherelch werden konnten, Symbole eines inneren Aufstieges, wie er auc in den drei Graden dargestellt ist und wie er besonders dem „saturnishen” Gemüte obliegt.

Viel unzweideutiger freilich als diese Gruppe von Bildern weist ein einzelnes alleinstehendes in unsere Richtung: das GemäldederLondoner Nationalgalerie (Nr. II37 unknown subject), welches Justi trotz der miserablen Erhaltung zum Rang einer eigenhändigen Arbeit Giorgiones hat erhöhen wollen und das auch Gronau mindestens einem unmittelbaren Nachfolger zuschreiben möchte, Hier spricht wieder dieErfindung des Gegenständlichen: die Kühnheit in einem selbständigen T afelbild ein solches weder mythologisches, noch religiöses, noch im üblichen Sinne allegorischesThema zu behandeln, für den Meister selbst.

Wieder sind wir fern von der Stadt in traumhafter Natur mit weiten Ausblicken in die Landschaft des Veneto. Ein bewachsener Hügel erhebt sich

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