Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

von zwei Jünglingen gleichsam in einer tiefen Versonnenheit, in einem geheimnisvollen Vertrautsein angestimmt wird. Manche Kenner geben dies Bild heute dem jungen Tizian, manche dem Sebastiano. Dabei sind sich wohl alle darin einig, daß nur Giorgione und kein anderer dies neue Thema zuerst angeschlagen haben kann.“?) Giulio Campagnola, Giorgiones treuester Schildknappe, hat es als erster popularisiert, der junge Tizian es weitergeführt, ohne ihm entscheidend Neues abzugewinnen. Sind solche sanft schwelgerischen Daseinsbilder Zeugnis jenes neuen harmonischen Instrumentalund Vokalstils, dessen süßen schweren Rausch man sich, wie wir sahen, zuerst wohl in den geschlossenen Zirkeln der Frührenaissance hingegeben hat? Gerade bei Giorgione undseinen Schülern, einem Pordenone, Sebastianou.a., wird die Musikleidenschaft hervorgehoben. Sind ihre Bilder zugleich der verklärte Ausdruck jenes heimlichen mythisch-erotishen Naturkultus, mit dem eben diese „heidnischen” Zirkel nicht selten Ärgernis erregten? Alles Erotische, ja alles Fleischliche hat bei Giorgione einen einzigartigen, man darfsagen kultischen, Zauber. Auch dies ist Giorgiones Geheimnis. Das Quattrocento war der Nactheit gegenüber nur kokett, prüde, vielleicht auch neugierig gewesen, die Hochrenaissance Tizians und Palmas war unter klassischem Vorwand gern derbsinnlich und üppig, allein Giorgione besaß die erotische Weihe und das beinahe religiöse Geheimnis der Nacktheit. Manches in seiner Zeit — vielleicht die neue Mode des Petrarcakultus, Stimmungen aus Sannazaros „Arcadia”, Träume von einer bukolischen Urzeit, einem goldenen Zeitalter, Rousseau- und Werthervorahnungen der Renaissance — kam unserm Meister da entgegen.

Nun rückt auc das berühmte „Konzert” im Palazzo Pitti in ein neues Licht. Was dem voraussetzungslosen Beschauer des rätselhaften Bildes immer das Wesentliche in der Psychologie der drei Gestalten sein wird, erscheint nur bestätigt: das Wissen, der Besitz einer höheren Musik auf dem ekstatischen Angesicht des mittleren Mannes an dem Spinett mit seinen harmonischen Vielklängen gegenüber der träumenden Indifferenz des modischen Jünglings und der ein wenig befangenen Teilnahme des Augustinermönces zur Rechten, der die Laute nur ungespielt in der Hand trägt und der anschei-

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