Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

Die Betontheit dieser Elemente im Rahmen des Ganzen ist so auffällig, daß hierwohl ein sinnbildliher Hinweis gegeben sein könnte, so wieihn Giorgione in den „Drei Philosophen,” im „Astrologen” und anderen Orts anzubringen beliebt hat. Es sei nun daran erinnert, daß zwei Säulen zu den ältesten Lehrbildern gehören, die auch in der V or geschichte des freimaurerischen Logenwesens eine hervorragende Rolle spielen, gehen sie doch zuletzt auf die berühmten Boas und Jachim des Salomonischen Tempels zurück. Haben die beiden Säulen hier tatsächlich einen symbolischen Sinn,’’) so sehen wir mehrere Möglichkeiten einer Deutung. Die eine rein allegorisch: die zwei Säulen zusammen mit dem Portikusfragment weisen auf die Sodalität, die „Loge” ldie Ausdrücke Loggia, Stoa, Portikus spielten in den Akademien der eneisance eine große Rolle). Sie hütet der Mann im Osten, bekleidet und gerüstet, während im Westen außerhalb des „Tempels” die nackte, bedürftige Menschheit bleibt. Oder wäre die Frau mit dem Kinde an der Brust doch als Personifikation einer Weisheitsschule aufzufassen — derartige Personifikationen sind ja in der Renaissancekunst beliebt —, so wie wir heute noch von der „alma mater” der Universität sprechen ? Ihre dürftige Bekleidung, der desolate Zustand der Säulen und der Loggia wäre dann, zusammen mit dem Unwetter, Hinweis aufgewisse Bedrohungen und Verfolgungen der „Lehre”, der Jüngling im Vordergrunde dagegen ihr Wächter. Im Zusammenhang damit könnte man auch gewisse Einweihungsriten innerhalb bestimmter Grade der Sozietäten voraussetzen, was wir freilich nur mit gefährliher Kühnheit durch modernere Analogien erschließen. Man denke etwa an gewisse halbsymbolische „Prüfungen“ und „Reisen”, die der stand- _

hafte Schüler durchzumachen hat, an 'Tamino und Pamina “in der Zauber- 43°.

flöte, wie sie durch Feuer, Wasser, Luft und Erde gehen müssen. Weiter als diese beiden Vorschläge, wenn auch wiederum in derselben Richtung, führt eine Stelle bei Josephus, auf die Höhler in seinem so aufschlußreihen Buch über die hermefische (alchemistische) Philosophie aufmerksam macht. Die Nachkommen Adams, welche die Wissenschaft der himmlischen Dinge erlangt hatten und durch die Prophezeiung Adams wußten, daß der Welt ein zweifacher Untergang bevorstehe, durch Wasser und durch

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