Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance

Feuer (!), errichteten, damit die Wissenschaften nicht verloren gingen, zwei Säulen, „eine von Ton und eine von Stein,, damit, wenn eine vernichtet würde, die andere übrig bIEbEBE sind die sogen. „Säulen des Hermes”. Diese Legende klingt in manchen Teilen an die antike Sündflutsage von Deukalion und Pyrrha an, welche Schrey erwähnt, ohne freilich zu wissen, daß auch diese den alten Hermetikern nur ein Symbol der alchemistischen Praxis gewesen ist.

Feuer, Wasser, Luft und Erde, ähnlich wie in der Landschaft der „Familie des Giorgione,” teilen sich auch in die Szenerie auf jenem sogenannten „Iraum desRaffael”, den Mark Anton uns imKupferstich hinterlassen hat. Daß es sich eher um einen Giorgion e handelt, gestochen von Mark Anton während seines Aufenthaltes in Venedig 1508, hat Wickhoff mit glänzendem Scharfsinn wahrscheinlich gemacht und ist für uns auch darum annehmbar, weil wir noch andere tiefere Beziehungen zu dem Lehrinhalt des genannten Bildes ahnen. Wieder zeigt sich hier an gewissen Einzelheiten, daß Giorgione, dieser erotisch-kontemplative Idylliker, auch eine Sonderbegabung besaß für die Welt des Infernalischen. Nicht ohne Grund hat gerade er sich den visionären Stoff der Errettung Venedigsvon der Sprinsflut mit dem dämonenbesetzten Schiff erwählt oder die Höllenfahrt des Äneas Stoffe, die einesBosch oder Grünewald, dieser eroßen Wachträumer, würdig gewesen wären. Ob diese Einstellung poetischen, gelehrten Ursprungs war oder ob auch Giorgione zu der Art jener halb pathologischen Träumer gehörte, denen sich gewisse unterbewußte Regungen bisweilen zu infernalischen Symbolgestalten verdichten, bleibe dahingestellt. Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daß Schlaf- oder Wachträume Giorgiones, die er seinen Freunden erzählte und die sie nun allegorisch zu deuten versuchten, Anlaß zu sewissen Bildkompositionen gegeben haben. Die moderne psy&ho-analytische Schule hatjedenfalls den Parallelismus von Traum und Mythos, insbesondere auch diepsycho-analytische Deutbarkeit gewisser alchemistisch-rosenkreuze- rischer Visionen und Sinnbilder nachgewiesen; vielleicht könnte sie auch zu gewissen Träumen (Feuerträumen) Giorgiones Wissenswertes aussagen. Was ssich im allgemeinen von der Bewußtseinsverfassung eines „saturnischen”

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