Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Neipperg. Dieſe Freundſchaft ward bald eine ſehr innige, und bei einem ſpäteren Beſuche, den Frau von Vosſ in Be=gleitung ihrer Tochter bei der Fürſtin in Böhmen machte, lernte dieſe ihren nahmaligen Gemahl, den Grafen Caſtell= Rüdenhauſen kennen. Das junge Mädchen wax damals eſt dreizehn Jahre alt; doh muß dieſe große Jugend in jener Zeit für eine Braut nichts Auffallendes geweſen und Niemand als ein Hinderniß erſchienen ſein, um der gegenſeitigen Neigung dex beiden jungen Leute die elterliche Zuſtimmung zu verſagen; denn na<hdem Graf Caſtell die Einwilligung ſeines zukünſtigen Schwiegervaters eingeholt hatte, ward be= veits im Octobex 1769 die Verlobung gefeiert. Da die Braut no< nicht eingeſegnet war, . ging ihre Mutter, um ſie vor äußerer Zerſtreuung zu bewahren, anſtatt nah Berlin mit ihr auf das Gut ihrer Großmutter, und erzählt ſelbſt ausführlich, wie hier der hochwürdige Paſtor Volmer mit großem Ernſt ihre religiöſe Unterweiſung beendet habe und ſie an ihrem 14. Geburtstag im Dezember deſſelben Jahres dort eingeſegnet und zux heiligen Communion aufgenommen worden ſei, Dieſer Tag wurde als ein Familienfeſt ſehr feierlich begangen und alle Verwandten kamen herbeigereiſt, um der heiligen Handlung beizuwohnen. |

Wenige Wochen ſpäter, am 15. Januar 1770, fand in Berlin die Vermählung des jungen Paares ſtatt, das ſeinen Wohnſiß in Schloß Rüdenhauſen in Franken nahm. Doh wurde es der Muttex anfangs ſehr ſchwer, ſi<h von dieſer einzigen, zärtlich geliebten Tochter zu trennen, um ſo mehr, als jene ihrer mütterlichen Pflege und ihres Troſtes vielfach bedurfte und alle Kindex, die ihr Gott ſchenkte, wenige Wochen odex Monate nach dex Gebuxt wieder ſtarben. Jn Folge